27. August 2002
(Eigenbericht)
Schon seit geraumer
Zeit hat sich das Ende der Versum AG, dem Job- Auto- und
Immobilien-Portal namhafter deutscher Zeitungsverlage,
angedeutet. Wie von manager magazin und kressreport gemeldet,
haben sich die als Gesellschafter fungierenden Verlagshäuser
gegen die Fortsetzung des im März 2001 gegründeten
Online-Portals entschieden. In einer knappen
Pressemitteilung bestätigte Versum die Liquidation:
"Vor dem
Hintergrund der wirtschaftlichen Situation im Online-Bereich
haben die Aktionäre der Versum.de AG einstimmig
beschlossen, ihre Online-Aktivitäten in den Rubrikenmärkten
wieder selbständig in den einzelnen Verlagen durchzuführen
und die Versum.de AG aufzulösen. Zum Liquidator wurde Herr Dr.
Marcus Ruf von der Schickler Unternehmensberatung
bestellt."
Das Ende von Versum kommt
mit dem Kanonendonner der wohl schwersten konjunkturellen und
strukturellen Krise der Medien-Branche.
Die Zeitungsbranche
steckt in der schwersten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg.
Was zunächst als konjunkturbedingte Flaute am Werbemarkt
angesehen wurde, droht zu einer strukturellen Krise zu
werden. Nach einem katastrophalen Jahr 2001 sind die
Anzeigenerlöse nochmals dramatisch eingebrochen. "Die
Zeitungen erleben eine strukturelle Krise durch das
Internet“, sagte Verleger Hubert Burda unlängst im Gespräch
mit der WELT. Vergleichbar sei dies mit dem Umbruch bei den
Zeitschriften mit Beginn des Privatfernsehens. Immobilien könnten
auf Dauer im Internet besser angeboten werden als in
Zeitungen. „Das könnte auch für Stellenangebote
gelten.“ Christian
Bauschke: "Blick in den Abgrund". Die Welt 27.
August 2002
Dabei
hatte alles für Versum ganz erfolgversprechend begonnen. Am 26. März 2001
ging das Online-Portal in Echtbetrieb und besetzte gleich mit
nahezu 65.000 Stellenangeboten nach dem Arbeitsamt eine
Spitzenposition in der Rangliste der Online-Jobbörsen in
Deutschland.
Name |
Anzahl
Zeitungen |
Tägliche
Druckauflage |
Regionale
Verteilung |
ads & news AG
& Co Kg |
22 |
1.761.000 |
Nordwest |
Axel Springer Verlag |
3 |
673.000 |
Norden (Hamburg),
Nordosten (Berlin) |
Dumont |
4 |
1.146.000 |
Westen und
Mittel-Osten |
Medien Union
Ludwigshafen GmbH |
8 |
1.454.000 |
Südwesten |
Münchner
Zeitungs-Verlag GmbH & Co KG |
16 |
2.203.000 |
Süden |
RP Medien Gruppe |
1 |
444.000 |
Westen |
Stuttgarter Zeitung |
5 |
778.000 |
Süden |
Verlagsgesellschaft
Madsack GmbH & Co. |
12 |
794.000 |
Norden Osten |
Verlagsgruppe Georg
von Holtzbrinck |
7 |
849.000 |
Südwesten Osten |
WAZ Mediengruppe |
8 |
4.103.000 |
Westen, Mitte, Osten |
Quelle: adexalliance
Das Geschäftsmodell war nach dem
Multiplikator-Prinzip aufgebaut: Stellenanzeigen, die die zehn
Verlage in ihren regionalen Zeitungen
veröffentlichten, wurden in die Datenbank von
Job-Versum überspielt, indiziert und dann als Online-Jobbörse
verfügbar gemacht. Somit glaubte man, den Stein des Weisen
gefunden zu haben: Einerseits stützte und schützte man die
Stellenanzeigen in den Printmedien, andererseits bot man den
Jobbörsen mit ihren eigenen Waffen Paroli. Die Anzahl der
so offerierten Stellenanzeigen kletterte in die Höhe, bewies
die Nachhaltigkeit des Konzepts und Versum kletterte mit
einem Marktanteil von 9% der Stellenangebote unter die TOP-5
der Jobbörsen, noch vor den Karriereportalen jobpilot,
StepStone oder Monster.
Zwar griff man bei der
Gründung mit der Namensgebung tief in die Trickkiste des
Lateinischen und wählte mit Versum.de einen scheinbar
unverwechselbaren Namen aus, der auch noch den Vorteil hatte, daß
er ohne den viel verwendeten Zusatz "Job" auskam. Den
Name Versum leitete man vom lateinischen Verb "verto"
ab und meinte damit "sich einer Sache annehmen". Gleich
mehrere Bedeutungen konnten damit bestimmt werden. Wie es bei
Versum AG hieß, beschreibt der Begriff "Versum" auch
Zielgerichtetheit und Erfolgsorienterung, mit "versum"
ist auch das Verb "drehen" oder "wenden"
gemeint.
Doch die
Namensgebung hatte auch seine Tücken. So existierte bereits eine
Domain "Infoversum.de". Konsequent ging Versum AG dann gegen
den Domain-Inhaber, einen nahezu mittellosen Studenten mit Sitz in
Berlin, gerichtlich vor. Zuvor wurde der Beklagte abgemahnt und
vor dem Münchner Landgericht beantragte Versum, den Studenten bei Zuwiderhandlung ein
Ordnungsgeld von 500.000 DM oder bei Uneinbringlichkeit eine
Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten zu verurteilen. Versum AG verlor
jedoch die Klage und musste auch
die Kosten des Verfahrens übernehmen. (Quelle: netlaw.de
Entscheidungssammlung Online Recht).
Nicht
nur bei der Namensgebung stand die Gemeinschaftslösung unter
einem guten
Stern: Medienwettbewerber wie Frankfurter Allgemeine,
Süddeutsche Zeitung oder Frankfurter
Rundschau betreiben nach wie vor ihre eigenen
unabhängigen Online-Jobbörsen
und auch die WAZ-Gruppe scheute sich nicht, trotz der Mitarbeit an Versum eine eigene 50%-Beteiligung am Jobmarkt
stellenanzeigen.de beizubehalten.
Online-Stellenmärkte
der Print-Medien |
Stellen-
angebote |
Versum |
85.000 |
Süddeutsche Zeitung |
4.188 |
Rhein-Main-Click |
3.516 |
Stellenanzeigen (WAZ) |
2.759 |
Hamburger Abendblatt |
1.968 |
Berufswelt der
"Welt" |
1.878 |
FAZ.Net |
1.342 |
Frankfurter Rundschau |
988 |
Badische Zeitung (Badischer
Verlag
Südkurier, Heilbronner Stimme, Schwarzwälder Bote,
Südwest Presse, Mannheimer Morgen, Schwäbischer Verlag) |
929 |
Tagesspiegel Berlin |
275 |
MVweb Jobbörse (Nordkurier,
Ostsee-Zeitung, Schweriner Volkszeitung) |
61 |
nordclick (Dithmarscher
Landeszeitung, Eckernförder Zeitung, Kieler Nachrichten,
Segeberger Zeitung, Uetersener Nachrichten) |
45 |
Andere auflagenstarke Medien
hatten schon von vorzeitig auf den Betrieb eines eigenen
Stellenmarktes verzichtet und sich als Kooperations- bzw.
Traffic-Partner unter die Fittiche
professioneller Jobbörsen-Betreiber begeben.
Zeitschrift
/ Zeitung |
Jobbörse
(powered by) |
Bild.de |
Arbeitsamt, Versum, worldwidejobs |
Financial Times
Deutschland |
Monster |
Focus |
StepStone |
Handelsblatt |
jobworld / jobware |
Spiegel Online |
jobpilot |
RP Rheinische Post |
Versum |
Trotz
der angekündigten
Liquidation von Versum AG lebt jedoch das Konzept weiter: im
regionalen Markt des Rhein-Main-Gebiets haben sich Verlage wie
Darmstädter Echo, Hanauer Anzeiger, Main-Echo, Offenbach-Post und
die Verlagsgruppe Rhein Main zusammengeschlossen und betreiben
unter www.rheinmainclick.de
einen gemeinsamen Online-Anzeigenpool für Jobs.
Die
Wikinger kommen: Mit einer technisch anspruchsvolleren Lösung
trat der dänische Software-Spezialist MatchGlobal
in die Wettbewerbs-Arena.
Sie waren mit einer Datenbank-Pool-Lösung speziell für Zeitschriften und
Verlage zunächst in
Skandinavien und Großbritannien erfolgreich, ehe sie sich auf
den Sprung nach Deutschland wagten. Mit regionalen Zeitungen im
norddeutschen Raum gewannen sie einen Brückenkopf und planen,
vom hohen Norden den Markt Schritt für Schritt erobern zu
können.
Kundenliste
von MatchGlobal in Deutschland (Auszug) |
| MVweb
Ostsee-Zeitung
Nordkurier
Schweriner Volkszeitung
|
| nordClick
Dithmarscher Landeszeitung
Kieler Nachrichten
Lübecker Nachrichten
Segeberger Zeitung
Ueterseneter Nachrichten
Ostholsteiner Anzeiger
Eckenförder Zeitung |
|
Die Schwierigkeiten von Versum kamen
so langsam ans Tageslicht. Am 6.
November 2001 kündigte Versum AG eine erste Restrukturierung an
und der bisherige Marketingvorstand, Dr. Kay Kohlhepp, nahm
seinen Hut. Ein erheblicher Personalabbau wurde angekündigt, die Finanzierung bis 2003 zugesichert.
Die angespannte Konjunkturlage, der Einbruch im
Anzeigengeschäft, die grundlegende Neuverteilung in der
deutschen Medienlandschaft zeigte jetzt Wirkung: Zunächst traten im
Juni 2002 sieben der zehn Gesellschafter aus dem
Gemeinschaftsunternehmen aus (kressreport: Sieben auf einen
Streich), dann kam mit der angekündigten Liquidation (manager
magazin) der Anfang vom Ende.
Damit ziehen die beteiligen Verlage einen Schlußstrich unter
das Abenteuer eines Gemeinschafts-Portals. Trotz
vielversprechendem Start waren die Gesellschafter nicht bereit,
angesichts eines schwierigen Umfeldes die notwendige Geduld für
ein strategisch angelegtes Online-Portal aufzubringen. Die
regionalen Jobbörsen können aufatmen und die regionalen
Zeitungen werden wieder für die dänischen Spezialisten von
MatchGlobal zu potentiellen Kunden.