Crosswater Job Guide
Markt+Meinung

 

 

 

 

Teil 2:

 

Die Chronik eines ankegündigten Todes

Aus dem Inhalt

Die Übernahme des  Marktführer
(>>>Teil 1)
Die Chronik eines angekündigten Todes
(>>>Teil 2)
Monster auf Idealkurs
(>>>Teil 3)
Neue Messlatten für Personalchefs
(>>>Teil 4)

Als dann nach mehreren Monaten immer noch kein offizielles Abschlussergebnis vorlag, wurden die Bank of America, die Royal Bank of Scotland und die Société Générale als Konsortialführer eines 580 Mio. Euro Kredites ungeduldig und drängten auf die Vorlage von attestierten Bilanzen, wie es im Syndikats-Darlehensvertrag vereinbart war. Der Termin wurde dann zwischenzeitlich zweimal verschoben, das Zahlenwerk soll nun im Juni 2004 vorgelegt werden. Spätestens dann, so schreibt auch das Schweizer Obligationsrecht vor, müssen die Bilanzen für das vergangene Geschäftsjahr fertig sein.

Dabei war Adecco beim Abbau der Fremdfinanzierung durchaus erfolgreich und konnte die Netto-Schuldenposition von 1,677 Mio Euro (September 2002) auf 1,090 Mio Euro im September 2003 reduzieren. Doch die Verbesserungen der Bilanzstruktur täuschen nicht über andere Schwierigkeiten hinweg: Der Druck auf die Marge im Personalvermittlungsgeschäft ist enorm. So erzielte Adecco mit ihrer Tochtergesellschaft Ajilon, die auf die Personalvermittlung von Fach- und Führungskräften ausgerichtet ist, eine satte Brutto-Marge von etwa 24%, während das klassische Adecco-Zeitarbeits-Vermittlungsgeschäft lediglich eine Marge von ca. 14% erwirtschaftet. Für die US-Region wurde dann auch eine Strategie zur Verbesserung der Profitabilität erarbeitet. Hierzu gehörten eine Verlagerung im Business-Mix auf Retail, eine Analyse der Großkunden-Profitabilität, die Entwicklung von vertikalen Märkten, Gebührenerhöhungen, Reduktion der Back-Office Kosten und eine Verbesserung der IT-Infrastruktur. Die Maßnahmen waren die Reaktion auf eine Verwässerung der Brutto-Marge, die innerhalb Jahresfrist von 17.8% im 3. Quartal 2002 auf 16.7% im 3. Quartal 2003 sank.

Mittlerweile richten sich die Blicke der Experte auch auf eine mögliche Kostenlawine, die auf Adecco USA infolge der Fehleranalyse des internen Kontrollsystems zukommt. Gerüchteweise werde mit einer Summe von 100 Millionen Franken gerechnet, berichtet die "Aargauer Zeitung" am 21. Mai 2004. Zusätzlich zu den Kosten der US-Kanzlei Paul Weiss, Rifkind, Wharton & Garrison für die Untersuchung werden weitere Qualitäts-Prüfungen der internen Kontrollsysteme notwendig, wie es das neue US-Gesetz "Sarbanes-Oxley-Act" zwingend vorschreibt.

Klaus J. Jacobs

 

Familienzwist

Die Krise von Adecco brachte auch eine Dauerfehde im Verwaltungsrat ans Tageslicht. So wird erwartet, dass Mitbegründer Klaus Jacobs wieder in den Verwaltungsrat zurückkehren soll. Olaf Preuß berichtet in der Fincancial Times Deutschland am 27. Februar 2004 über den Kampf hinter Adeccos Kulissen:

Der aus Bremen stammende Kaffeeunternehmer Jacobs hatte sein Unternehmen in den 80er Jahren in die Schweiz verlagert und dort den Schokoladenhersteller Suchard-Tobler übernommen. 1990 verkaufter er Jacobs-Suchard an den US-Konzern Kraft Foods. Als Finanzier trug er Anfang der 90er Jahre maßgeblich zur Rettung der Schweizer Zeitarbeitsfirma Adia bei. Nach der Übernahme von Adia durch die französische Ecco im Jahr 1996 entstand Adecco. Die Firmenholding Jacobs AG hält noch rund 11,8 Prozent der Adecco-Anteile, rund vier Prozent liegen bei Mitgliedern der Familie Jacobs. Ecco-Gründer Philippe Foriel-Destezet gehören 18 Prozent. Klaus Jacobs leitete den Adecco-Verwaltungsrat bis April 2002. Kürzlich hatte er die Adecco-Führung und die Kontrolleure scharf kritisiert: "Management und Verwaltungsrat der Adecco haben mich in den letzten Wochen persönlich enttäuscht. Mir scheint, es mangelt an Führung, Kompetenz und in Einzelfällen auch an Integrität", sagte er dem Schweizer Wirtschaftsmagazin "Bilanz". Zwischen den Vertretern von Jacobs und von Foriel-Destezet soll es in den vergangenen Jahren öfter schwere Meinungsdifferenzen über den Kurs des Unternehmens gegeben haben. Adecco-Chef Jérôme Caille ist ein Patensohn von Foriel-Destezet.

 

Das Orakel der Finanzanalysten

Als Folge der Finanz- und Kommunikationsprobleme mußten natürlich auch die Wertpapier-Analysten der führenden internationalen und Schweizer Investmentbanker eine revidierte Beurteilung der Adecco-Aktie abgeben. Im Verlauf der von fehlenden Bilanzzahlen und immer wieder verzögerten Veröffentlichungstermine geprägten Unsicherheit kamen die Wertpapier-Analysten selten zu einer einheitlichen Beurteilung der Chancen und Risiken, eine fundierte, konsistente Bewertung und Analageempfehlung sieht anders aus. Hinzu kam, daß schon im Januar die Schweizer Börsenaufsicht eine Untersuchung über vermeintliche Insider-Handelstransaktionen, die dem rasanten Kurssturz Mitte Januar 2004 um nahezu 50% voranging, ankündigte.

Vergleich der relativen Aktienkursentwicklung von Monster (MNST) und Adecco (ADO).

Quelle: Yahoo! Finance

Tabelle 2: Empfehlungen der Wertpapier-Analysten zur Adecco-Aktie

Datum Bank Empfehlung
12. Januar 2004 Dresdner Kleinwort Wasserstein "sell"
14. Januar 2004 Credit Suisse First Boston "outperform"
14. Januar 2004 Dresdner Kleinwort Wasserstein "buy"
21. Januar 2004 UBS "neutral"
30. Januar 2004 Dresdner Kleinwort Wasserstein "buy"
2. Februar 2004 Vontobel Equity Research "market perform"
3. Februar 2004 UBS "neutral"
23. März 2004 Morgan Stanley "overweight"
6. April 2004 Dresdner Kleinwort Wasserstein "hold"
13. April 2004 Sarasin Research "neutral"
20. April 2004 Dresdner Kleinwort Wasserstein "sell"
21. April 2004 Pictet & Cie "buy"
4. Mai 2004 Dresdner Kleinwort Wasserstein "sell"
24. Mai 2004 Dresdner Kleinwort Wasserstein "sell"

Für den Adecco-Konzern stehen die Uhren mittlerweile auf fünf vor Zwölf: Am 1. Juni 2004 legte nun der Konzern überraschend nach mehr als viermonatiger Verspätung die offiziellen Zahlen vor:

bulletGewinn 305 Mio Euro (+26%)
bulletOperativer Cash flow 455 Mio Euro
bulletNettoverschuldung reduziert um 491 Mio. Euro 918 Mio Euro
bulletDividendenerhöhung auf 0,70 Sfr/Aktie (+17%)
bulletAudit: Prüfung ergab keine Anhaltspunkte, keine nachträgliche Anpassung der Ergebnisse
früherer Jahre erforderlich.
bulletPublikation der Q1 2004 Quartalszahlen am 4. Juni 2004 Zahlen
bulletHauptversammlung am 29. Juni 2004

 

 

Lehrstück Adecco: "Es wäre fatal, den Fall Adecco jetzt schnell abzulegen. Denn was sich der größte Zeitarbeits-Konzern der Welt an Pannen und Peinlichkeiten leistete, das spottet jeder Beschreibung. Da wurden Börsen-Werte in Milliardenhöhe vernichtet. Jedes Unternehmen läuft heute das Risiko, daß Wirtschaftsprüfer aus Angst vor Schadenersatzklagen nicht rechtzeitig fertig werden und somit die Bilanz sich verzögert. Darauf sollte ein gutgeführter Konzern vorbereitet sein. Er sollte auch Kommunikations-Profis haben, die den Markt mit echten Informationen versorgen, so daß nicht die wildesten Gerüchte entstehen. Genau dies geschah bei Adecco. Gerarde weil der Fall glimpflich endete, taugt er gut als Lehrstück zur Informationspolitik."
 FAZ 2.6.2004

Zur überraschenden Veröffentlichung der Zahlen schrieb die FAZ am 1.6.2004: Adecco-Aktie auch nach Klärung in schwieriger Lage - Aktionäre müssen grösseren Teil der Zeche zahlen (FAZ-Online vom 1.6.2004)"Weder die Buchprüfer von Ernst & Young noch eine unabhängige Untersuchung durch die New Yorker Rechtsanwaltskanzlei Paul, Weiß hätten Unregelmässigkeiten zu Tage gefördert. Was genau bei Adecco passiert ist, ist allerdings immer noch nicht klar. Doch auch wenn Adecco mit der Veröffentlichung des Abschlusses nun einen Schlußstrich unter Monate der Spekulationen und der Ungewißheit ziehen will, bleibt nach Ansicht von Analysten der Eindruck einer unglücklichen Informationspolitik und eine angeschlagene Glaubwürdigkeit des Managements des weltgrößten Personaldienstleisters".

Und in der Financial Times Deutschland hiess es dazu: "Adecco - viel Lärm um nichts." Das Handelsblatt unternahm einen Versuch, den angefallenen finanziellen Schaden zu beziffern: "Adecco dürfte nun einen Schlussstrich unter Monate der Spekulationen ziehen, die die Anleger Milliarden sfr und zwei Spitzenmanager ihre Jobs kosteten. Was bleibt, ist der Eindruck einer unglücklichen Informationspolitik und eine angeschlagene Glaubwürdigkeit des Managements des weltgrössten Personaldienstleisters sowie das Risiko von Sammelklagen in den USA. Dazu kommen ausserordentliche Kosten in Höhe von annähernd 100 Millionen Euro für Berater-Honorare im Zusammenhang mit der Prüfung des Abschlusses. Davon werden sechs Millionen Euro der Jahresrechnung 2003 belastet, der Rest fällt im laufenden Jahr an."

USA: Der Sarbanes-Oxley-Act als Kostentreiber?
Quelle: HANDELSBLATT, Freitag, 11. Juni 2004, 08:18 Uhr
Torsten Riecke setzt sich in einem Artikel im Handelsblatt mit den kostensteigernden Konsequenzen der US-Gesetzgebung auseinander.
Der größte Kostentreiber ist das Sarbanes-Oxley-Gesetz. Insbesondere die umstrittene Sektion 404 bereitet den Firmen Kopfzerbrechen. Er zwingt sie, ein umfangreiches internes Kontrollsystem aufzubauen, das die korrekte Rechnungslegung gewährleisten soll. Eon-Finanzchef Erhard Schipporeit beschreibt das als kaskadenartigen Prozess, bei dem sich alle, die an einem Jahresabschluss mitarbeiten, jeweils bei ihren Chefs dafür verbürgen, dass ihre Zulieferung richtig ist. „Bei einem weit verzweigten Konzern ist das eine komplexe Zertifizierung“, sagt er. „Der Aufwand dafür lässt sich nur noch mit den Vorbereitungen für das Jahr-2000-Problem vergleichen“, sagt Gernot Wagner, Experte für Unternehmensrecht bei der Anwaltskanzlei Latham & Watkins. So hat der Industriekonzern General Electric (GE) 250 000 Arbeitsstunden gebraucht, um den neuen Vorschriften Folge zu leisten.
Während Weltkonzerne wie AIG und GE keine Möglichkeit haben, sich dem Griff der Regulierer zu entziehen, kommen kleinere wie auch ausländische Unternehmen ins Grübeln, ob es sich für die Börsennotierung lohnt, sich Tausende Stunden durch den Regulierungs-Dschungel zu kämpfen und obendrein Wirtschaftsprüfern und Anwälten hohe Gebühren zu zahlen.
Der Chef der New Yorker Börse (Nyse), John Thain, bekommt den Unmut zu spüren. In einem eindringlichen Appell warnte er jetzt die US- Behörden davor, die Regulierung zu übertreiben. „Viele Firmenchefs beklagen, dass das Pendel zu weit ausgeschlagen ist. Dass die Kosten zu hoch sind. Dass das Klagerisiko zu groß ist“, sagte Thain im Economic Club in New York. Die Folgen sind bereits sichtbar: Registrierte die Nyse zwischen 1996 und 2001 im Durchschnitt noch jährlich 50 neue Börsennotierungen aus dem Ausland, waren es in den vergangenen zwei Jahren nur noch halb so viele. „In diesem Jahr haben wir bisher erst eine neue Notierung aus Europa“, klagt Thain.
Verantwortlich dafür macht er aber nicht nur das Sarbanes-Oxley- Gesetz. „Auch die Reputation der USA als Schauplatz für unternehmensfeindliche Sammelklagen hat Alarm ausgelöst“, sagt Thain. Nach einer Studie der Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers ist die Zahl ausländischer Unternehmen, die von Sammelklagen betroffen waren, von 2001 auf 2002 um fast die Hälfte gestiegen. Ob Bayer mit seinem umstrittenen Cholesterinsenker Lipobay, Shell mit seiner überraschenden Neubewertung der Ölreserven oder Adecco mit seinen Bilanzproblemen – die Liste wächst ständig.
Das in Verbindung mit dem wachsenden regulatorischen Aufwand werde dazu führen, dass das Interesse europäischer Firmen am US-Kapitalmarkt sinke, sagt sein Kollege Wagner. „Der Abwägungsprozess der Unternehmen hat sich verändert. Viele Firmen können heute ihre wirtschaftlichen Ziele wie die Kapitalbeschaffung auf anderem Wege erreichen“, argumentiert er. Das Beispiel SGL Carbon gibt ihm Recht. „Die zusätzlichen Regulierungen der Börsenaufsicht SEC und der Nyse gehen mit steigenden Kosten einher. Demgegenüber geht der Nutzen eines Nyse-Listings angesichts des geringen Umsätze inzwischen gegen Null“, bilanziert das Unternehmen.

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