Wie das Landesarbeitsgericht
Baden-Württemberg entschied (Beschluß vom 13.8.2007, 3
TA 119/07), liegt keine Diskriminierung nach dem AGG
vor, wenn es an einer subjektiv ernsthaften Bewerbung
fehlt. Der 1952 geborene Kläger hatte sich auf eine
ausgeschriebene Stelle als Jurist beworben. Seine
Bewerbung enthielt Äußerungen über seine Meinungen und
Auffassungen, wie z.B.
"Im übrigen bin ich der Meinung, dass die Herren
Lustmolche und Sittenstrolche, welche als die "Herren
Freier" regelmäßig in Bordellen verkehren, zu einer
Sonderabgabe (Bordell oder Bordellumsatzsteuer)
herangezogen werden müssten. Mit diesem Steueraufkommen
sollte die Lebenssituation der Menschen in Pflegeheimen
und Behinderteneinrichtungen verbessert werden."
Wolfgang Unzicker (1925 - 2006):
Schachspieler, Großmeister und Jurist. Foto: Hartmut
Metz
Der Kläger ist von der Ausbildung Volljurist. Er legte
am 18.03.1980 sein erstes juristisches Staatsexamen mit
der Note "befriedigend" (7,25 Punkte) und am 22.09.1982
sein zweites juristisches Staatsexamen ebenfalls mit der
Note "befriedigend" (7,34 Punkte) ab. Von 1982 bis 1998
war er als selbständiger Rechtsanwalt in verschiedenen
Bezirken tätig. Am 29.01.1999 verzichtete er aus
wirtschaftlichen Gründen auf die Zulassung als
Rechtsanwalt. In seinem Lebenslauf ist angegeben: "Seit
01.02.2000 von bezahlter Arbeit ausgeschlossen" und
"seit 01.01.2005 im Zuge der sogenannten Reform Harz IV
auf Bahnhofspennerniveau verharzt". Des weiteren ist im
Lebenslauf vermerkt "Februar 2004 Bewerbung als
Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit,
Nürnberg, auserwählt: Herr Weise".
Nachdem die Bewerbung letztlich
schriftlich abgesagt wurde, kam es zu einer Klage. das
LAG begründete die Entscheidung ausführlich und befasste
sich dabei auch damit, welche Indizien die Bewerbung
aufwies und damit als "nicht ernsthafte Bewerbung" zu
gelten hätte. In ihrer Urteilsbegründung führte das
Gericht aus:
Hierbei scheitert der geltend gemachte
Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG schon daran,
dass nach den Gesamtumständen des vorliegenden Falls von
einer ernsthaften Bewerbung des Klägers um die
ausgeschriebene Stelle nicht ausgegangen werden kann.
Vielmehr dient die Bewerbung des Klägers ausschließlich
dazu, einerseits eine Geldquelle zu erschließen und
andererseits - wohl überwiegend - die Behörden und
Gerichte aus Frustration über seinen sozialen Abstieg
mit scheinbar ernsthaft formulierten Schriftsätzen zu
beschäftigen. Letztlich dient das gesamte Verfahren
dazu, das System des staatlichen Rechtsschutzes ad
absurdum zu führen und der Lächerlichkeit preiszugeben.
a) Eine Benachteiligung im Sinne der
Antidiskriminierungsvorschriften kommt nur dann in
Betracht, wenn der Bewerber objektiv für die zu
besetzende Stelle in Betracht kommt und eine subjektiv
ernsthafte Bewerbung vorliegt. Diesen Grundsatz hat
das Bundesarbeitsgericht bereits zur früheren
Vorschrift des § 611a BGB (betreffend das
Benachteiligungsverbot wegen des Geschlechts)
entwickelt. Nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts (BAG 12.11.1998 - 8 AZR 365/99 -
AP BGB § 611a Nr. 16; BAG 27.04.2000 - 8 AZR 295/99 -
zitiert nach Juris) sowie der Instanzgerichte (vgl.
nur LAG Berlin 14.07.2004 - 15 Sa 417/04 - NZA-RR
2005, 124; LAG Berlin 30.03.2006 - 10 Sa 2395/05 -
LAGE § 611a BGB 2002 Nr. 1) war der Schutzzweck des
damaligen § 611a Abs. 2 BGB die Entschädigung des
objektiv geeigneten Bewerbers wegen der durch sein
Geschlecht bedingten Benachteiligung im Verfahren. Die
damalige Vorschrift stellte nicht auf die formale
Position eines allein durch die Einreichung eines
Bewerbungsschreibens begründeten Status als "Bewerber"
ab, sondern auf die materiell zu bestimmende objektive
Eignung als Bewerber. Im Besetzungsverfahren konnte
danach nur derjenige Bewerber im Rechtssinne
benachteiligt werden, der sich subjektiv ernsthaft
beworben hatte und objektiv für die zu besetzende
Stelle in Betracht kam. An dieser Sachlage hat sich
durch die Verabschiedung des allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes vom 14.08.2006 nichts
geändert. (Schleusener/Suckow/ Voigt, AGG, § 7 Rz 8;
Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, § 6 Rz. 12).
b) Nach diesen Grundsätzen lässt sich zwar nicht
verneinen, dass der Kläger für die ausgeschriebene
Stelle einer/eines Juristin/Juristen für die
Arbeitsgemeinschaft Arbeitslosengeld II im Team
Unterhalt objektiv in Betracht kam. Der Kläger ist
Volljurist mit zwei befriedigenden Staatsexamina. Mit
dem Unterhaltsrecht hatte sich der Kläger während
seiner langjährigen Praxis als Rechtsanwalt befasst.
Mit der Leistungsgewährung nach dem SGB II war der
Kläger seit 01.01.2005 in eigener Sache vertraut.
c) Hingegen kann von einer subjektiv ernsthaften
Bewerbung im vorliegenden Fall nicht ausgegangen
werden. Die Form der Bewerbung und das nachfolgende
Verfahren sprechen für sich.
aa) Erstes Indiz für die mangelnde Ernsthaftigkeit
ist der vom Kläger als "Ceterum Censeo"
bezeichnete Text, der im Sachverhalt dieses
Beschlusses aufgeführt ist. Gerade als Volljurist
und langjähriger Rechtsanwalt war dem Kläger bewusst,
dass es gegen jegliche Übung im Geschäftsleben
verstößt, derartige Bemerkungen in der Geschäftspost
anzubringen. Bemerkenswert ist weiter das beigefügte
Lichtbild, das den Kläger vor einem Schachbrett
sitzend anlässlich eines Schachturniers zeigt,
ferner die Bemerkung im Lebenslauf "seit 01.01.2005
im Zuge der sogenannte Reform Harz IV auf
Bahnhofspennerniveau verharzt" und die weitere
Angabe über eine erfolglose Bewerbung als
Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit.
Diese Besonderheiten der Bewerbung mussten bei jedem
Arbeitgeber den Eindruck hervorrufen, der Bewerber
lege es von vornherein nicht darauf an, in die
engere Auswahl zu gelangen. Der Kläger war sich auch
dessen bewusst, dass er mit der Form seiner
Bewerbung eben diesen Effekt erreichte.
bb) Diese Indizien werden erhärtet durch die im
Gütetermin vorgelegten handschriftlichen Schreiben
an den Landrat persönlich. Hierin wird im Schreiben
vom 12.05.2007 als Vergleichsmöglichkeit aufgezeigt,
den Kläger auf die Position eines Sozialdezernenten
"zu hieven". Zur Begründung für diesen
Vergleichsvorschlag führt der Kläger aus, die
Position werde entscheidend dazu beitragen, dass er
im Alter nicht der Grundsicherung anheimfalle. Er -
der Landrat - werde im Interesse der
Steuerzahler/innen handeln, wenn er dem
vorgeschlagenen Vergleich nähertrete. Es bedarf
keiner näheren Ausführungen, dass der Beklagte
diesen Vergleichsvorschlag nur als Provokation
verstehen konnte.
cc) Als letztes Indiz für die mangelnde
Ernsthaftigkeit der Bewerbung lassen sich die
umfangreichen Ausführungen des Klägers zum
Hintergrund des in seinen Geschäftsbriefen
verwendeten "Ceterum Censeo"
anführen. Unter sexuellen Anspielungen befasst sich
der Kläger mit den Themen Prostitution, Bordellen,
Freiern und Bordellsteuer, führt aber gleichzeitig
aus, dies habe mit seiner Bewerbung nichts zu tun.
Welche Bedeutung die ab Anlage K 27 vorgelegten
Schreiben, betreffend Dominas und Rotlichtmilieu,
demnach haben sollen, ist unerfindlich. Die
beigelegte Kleinannonce aus einem Berliner Magazin:
"Prallärschiges Weib für alles
Unanständige gesucht" und "Alter Molch, 57 sucht
unmoralische Frauen für Sex und Kultur" sprechen
ebenfalls für sich.
Die Gesamtumstände der Bewerbung und des weiteren
Verfahrens lassen nur den Schluss zu, dass es dem
Kläger neben dem möglichen Motiv des Gelderwerbs in
diesem Verfahren vornehmlich darum geht, Aufsehen zu
erregen und das System des staatlichen
Rechtsschutzes lächerlich zu machen. Es ist zwar
durchaus nachvollziehbar, dass der Kläger darüber
frustriert ist, dass er seinen Lebensunterhalt mit
Leistungen nach dem SGB II bestreiten muss. Es kann
jedoch nicht angehen, angebliche Verstöße gegen das
Antidiskriminierungsrecht als Instrument dazu
benutzen, um Protest gegen die "Hartz"- Gesetzgebung
zum Ausdruck zu bringen. Würde der Staat eine solche
Rechtsverfolgung mit der Gewährung von
Prozesskostenhilfe unterstützen, so hätte der Kläger
das von ihm angestrebte Ziel erreicht.
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