Arbeitsmarkt Finanzwirtschaft:
Versicherer gehen wieder auf Expansionskurs –
Lebensversicherungsbranche besonders optimistisch
[Crosswater Systems]
16.8.2007
Die Stimmung der Versicherungsbranche in Europa hellt
sich wieder auf. Die Hälfte der Fach- und Führungskräfte
ist der Ansicht, dass sich die Grundstimmung im
Versicherungsmarkt während der letzten sechs Monate
verbessert hat. Das ist ein Anstieg von mehr als 20
Prozent im Vergleich zum November 2006. Allerdings kann
die Stimmungsverbesserung nicht an den Vorjahreswert vom
Mai 2006 anknüpfen. Damals registrierten mehr als 64
Prozent eine Stimmungsverbesserung in den letzten sechs
Monaten. Viele Versicherer setzen auf Expansion: Zur
größten Herausforderung der Befragten gehört nicht mehr
allein die Erhöhung des Kundenvertrauens – das Gewinnen
von Marktanteilen hat inzwischen den gleichen
Stellenwert erreicht. Das ist das Ergebnis der
Untersuchung „Insurance Trend”, die im Auftrag von
Steria Mummert Consulting in Kooperation mit der
Fachzeitschrift „Versicherungsmagazin“ und dem IMWF
Institut für Management- und Wirtschaftsforschung
durchgeführt wurde.
Die stärkste Stimmungsaufhellung macht sich im
Lebensversicherungsgeschäft bemerkbar. Auf einer Skala
von null bis drei erreicht der Zuversichtsindex für die
nächsten sechs Monate in Deutschland einen Stand von
0,94 – nie zuvor wurde im Rahmen eines Insurance Trends
ein höherer Indexwert erreicht. Im November 2006 lag das
Geschäftsklima noch bei einem Wert von 0,3. Die Stimmung
im deutschen Nicht-Lebensversicherungs- sowie
Krankenversicherungsgeschäft hat sich ebenfalls
aufgehellt – allerdings auf deutlich geringerem Niveau.
Das Barometer erreichte hier einen Wert von 0,66
beziehungsweise 0,15 Indexpunkten. Damit sehen die
Entscheider in der Krankenversicherungsbranche für das
kommende halbe Jahr wieder eine Verbesserung der
Marktaussichten. Im November 2006 gaben noch die
Pessimisten den Ton an – auf der Skala von -3 bis +3
vergaben die Befragten im Mittel den Wert - 0,13.
Betrachtet man die Gesamtstimmung in allen untersuchten
Ländern, so zeigt sich, dass die deutschen
Lebensversicherer überdurchschnittlich gut gestimmt
sind. Unterdurchschnittlich ist die Stimmung hingegen
bei den Nicht-Lebensversicherungsgesellschaften; die
Marktaussichten bei den deutschen Krankenversicherern
liegen leicht oberhalb des europäischen Durchschnitts.
Die verbesserte Stimmungslage schlägt sich auch in der
strategischen Ausrichtung nieder – die Versicherer gehen
wieder verstärkt auf Expansionskurs. Vor einem halben
Jahr dominierten in der Branche noch konsolidierende
Ziele wie die Senkung der operativen Kosten und die
Optimierung der betrieblichen Prozesse. Auch die
Absicht, die Kundenbindung zu erhöhen, stand im
vergangenen November bei den Befragten mit Abstand an
erster Stelle. Doch mittlerweile setzen die Versicherer
in ihren Bemühungen nicht allein auf die Bestandskunden,
sondern halten zunehmend nach Neukunden Ausschau. Die
Gewinnung von Marktanteilen hat mittlerweile den
gleichen Stellenwert wie die Durchführung von
Kundenbindungsmaßnahmen erlangt. Der neue Expansionskurs
wird vom starken Wachstum der Vertriebsmannschaften
unterstrichen. Während die Investitionen für
Kundenbindung, Informationstechnologie und Marketing im
Vergleich zum November 2006 nur leicht stiegen, wuchs
die Größe der hauseigenen Vertriebe im selben Zeitraum
um fast 25 Prozent.
Die Vertriebsoffensive soll vor allem über die Makler
erfolgen. Von allen Vertriebswegen erfährt der
Außendienst die höchste Wertschätzung. Rund 68 Prozent
der Entscheider aus den Vertriebszentralen wollen den
Maklervertrieb in der nächsten Zeit forcieren. Erst an
zweiter Stelle folgt der Vertrieb über die
Stammorganisation, hier wollen 57 Prozent der Befragten
weiter zulegen. Vor allem der weiter zunehmende
Vorsorgedruck trägt zur dynamischen Entwicklung im
Vertrieb bei.
Riester soll es richten – mit diesem Motto könnten die
Vertriebshoffnungen der Entscheider zusammengefasst
werden. Zwei von drei Befragten aus den
Unternehmenszentralen versprechen sich von
Riesterverträgen den größten Zuwachs im Neugeschäft mit
Vorsorgeprodukten. Die betriebliche Altersvorsorge folgt
an zweiter Stelle mit knapp 54 Prozent. Mitarbeiter aus
dem Vertrieb sehen hingegen bei fondsgebundenen
Versicherungen das größte Zuwachspotenzial, das
Riestergeschäft folgt an zweiter Stelle. Der
Neuabschluss von etwa zwei Millionen Riesterverträgen
und das zum Jahresende 2006 deutlich anziehende Geschäft
mit Basis-Renten verdeutlichen die zunehmende Bedeutung
von Altersversorgungsverträgen, die auf lebenslange
Leistungen gerichtet sind – entsprechend hoch sind die
Erwartungen.
Besonders große Unterschiede zwischen den Mitarbeitern
aus der Zentrale und jenen aus dem Vertrieb gibt es bei
der Markteinschätzung zur Zukunft der klassischen
gemischten Lebensversicherung. 60 Prozent der
Vertriebsmitarbeiter glauben nicht, dass die
Lebensversicherung herkömmlicher Art in Zukunft noch
eine Chance hat. In der Zentrale verneint dies lediglich
etwas mehr als ein Viertel der Befragten. Obwohl die
überwiegende Mehrheit der Vertriebsmitarbeiter von einem
baldigen Verschwinden der klassischen Lebensversicherung
überzeugt ist, sind neue Vorsorgeprodukte, die die Lücke
zu füllen vermögen, bislang nicht in Sicht. Maximal rund
jeder zweite Vertriebsmitarbeiter kann neu geplante
Vorsorgeprodukte aus dem eigenen Unternehmen benennen.
Für Unsicherheit sorgt weiterhin die Reform des
Versicherungsvertragsrechts (VVG-Novelle). So können
fast 60 Prozent der befragten Entscheider aus den
Unternehmenszentralen nicht sagen, ob sich ihre
Garantiemodelle infolge der VVG-Reform ändern werden
oder nicht. Einig ist sich jedoch die Mehrheit aller
Befragten darin, dass die Novelle zu einem weiteren
Optimierungsdruck bei den betrieblichen und
kundenspezifischen Prozessen führen wird. Hier bleibt
für die Versicherer noch viel zu tun. So ist weniger als
ein Viertel der Versicherungsunternehmen in der Lage, in
weniger als fünf Tagen die unterschriebene Police an den
Kunden zurückzusenden.
Hintergrundinformationen
Der Berichtsband „Insurance Trend“ stellt die Ergebnisse
einer Online-Befragung dar, die von Anfang April bis
Ende Mai 2007 durchgeführt wurde. Der Insurance Trend
bildet regelmäßig das aktuelle Geschäftsklima in der
Versicherungsbranche ab. Als Schwerpunktthema wurde in
dieser Umfrage der Bereich „Vorsorge“ untersucht. An der
Umfrage nahmen 146 Fach- und Führungskräfte aus
Deutschland, der Schweiz und weiteren europäischen
Ländern teil.
Quelle: Steria Mummert Consulting
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