Wie tief steckt man eigentlich in seiner Bewerbernot,
dass einem die Kläglichkeit der Ich-Aussagen, ihre
mangelnde Relevanz, ihre fehlende Verwertbarkeit nicht
sofort ins Auge stechen? Man macht des Jobs und der
Karriere wegen ja vieles, für das man sich hinterher
schämt, aber von einem Bewerberflyer würde ich mich
persönlich wirklich nur schwer erholen.
Gut gemeint ist nicht gut gemacht. Der A-Agentur ist es
sicher ein Wohlgefallen, wenn Bewerber signalisieren,
dass sie sich aufrichtig bemühen. Und ein Flyer
signalisiert wie nur noch die PERSÖNLICHE QUATSCHSEITE 3
den Übererfüller. Leider auch den Vermarktungstölpel.
Im Grunde nervt mich da neben dem klaffenden
Missverhältnis zwischen Absicht und Wirkung vor allem
die eilfertige Selbstaufgabe des kritischen Verstands.
Flyermann und Flyerfrau machen brav jeden Unsinn mit,
nur um sich in den Chor der dünnen Bewerberstimmchen
einzureihen.
Es sei allen Fans der volkstümlichen Bewerbungsformen
gesagt: Die Bewerber-Chöre singen falsch. Bewerben ist
immer eine Solo-Partie.
Ihre berufliche Identität drücken Sie in 3 - 4 Worten
aus.
Ihren beruflichen Claim formulieren Sie in einem
einzigen Satz.
Für einen Teaser oder eine Zusammenfassung brauchen Sie
2, 3, 4 Sätze.
Ihr Kurzvortrag über Ihre Eignung braucht nicht mehr als
2000 Anschläge.
Ihre Profil- und Leistungsdaten listen Sie auf 1 - in
der Regel 2 - bis maximal 3 Seiten auf.
Ihre Bewerberstory darf so lang sein, wie sie Ihre
Zuhörer fesselt.
Jeder guten Absicht ihr adäquates Medium. Ein Flyer ist
nun mal ein Mitnahme-Mittel. Als Bewerber legen Sie sich
jedoch üblicherweise nicht aus. Sie treten an und tragen
vor.
Fazit: Bewerberflyer kennzeichnen die Unbedarftheit der
Experten, die sie propagieren. Sie markieren die
Hilflosigkeit der Opfer, die sie benutzen. Sie
versinnbildlichen die Witzlosigkeit des
Materialaufwands. Sie sind so doof wie gefaltet. Und
kein Jobanbieter war je von der argumentativen Wucht des
Flyer-Talks geplättet:
\"Ich kann mir sehr gut vorstellen, in einem meiner
beruflichen Schwerpunkte für Sie tätig zu werden, die
ich Ihnen mit dem vorliegenden Bewerbungsflyer
vorstellen möchte.\"
Stellen Sie sich dazu vor, wie Ihr freundlicher Berater
von der Agentur wortlos den Flyer auf und zuklappt, den
Mund auf und zuklappt, schwer atmet, schließlich
beifällig nickt und endlich \"brav\" sagt.
Wenn es Sie schon bei der Vorstellung würgt, warum
basteln Sie dann Flyer?
2006 Gerhard Winkler,
www.jova-nova.com
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