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Jammern statt Visionen: Modernisierung der Arbeitsverwaltung kommt nur langsam voran.

Als die über 300 Delegierten der Konferenz zur Modernisierung der Arbeitsverwaltung in Birmingham die Fortschritte bei der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit diskutierten, waren die unterschiedlichen Auffassungen zwischen Großbritannien und Deutschland selten so gravierend wie jetzt.

Die britische Arbeitsmarktbehörde "Jobcenter Plus" gilt sogar in Deutschland als Vorbild für die hiesigen Arbeitsmarktreformen, doch nach Jahren der Hartz-Reformen ist Deutschland vom Erfolg weiter entfernt als zuvor. Diese Unterschiede zeigen sich auch in der psychologischen Verfassung, wie die Bundesagentur für Arbeit einerseits und das britische Jobcenter andererseits die anstehenden Probleme anpacken.

Claudia Bröll, FAZ

Claudia Bröll, FAZ

So fasst die FAZ-Redakteurin Claudia Bröll in einem Bericht in der FAZ vom 10. Dezember 2005 die Unterschiede zusammen:

"Während der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur, Frank-Jürgen Weise, Probleme über Probleme beklagte, sprach seine britische Kollegin, Lesley Strathie, von Herausforderungen. Was für den Deutschen Arbeitslosigkeit war, nannte die Britin Beschäftigungschancen. Analysierte Weise Vergangenheit und Gegenwart, kann seine Kollegin in die Zukunft blicken". Und noch ein kleiner Unterschied wurde in Birmingham offenbar: Die britische Arbeitsverwaltung arbeitet mit 25 Vorstandsvorsitzenden von Unternehmen verschiedener Branchen des privaten und öffentlichen Sektors zusammen um sich Beschäftigungsstrategien auszudenken - doch im Gegensatz zu Deutschland sind Gewerkschaften und Politikvertreter in diesen Gremien nicht vertreten und können sich nicht - wie in Deutschland üblich - mittels paritätischer Besetzung gegenseitig blockieren.

Während die britische Arbeitsvermittlung ihren Modernisierungsprozess mit der Einrichtung neuer Jobvermittlungs-Centern ("Shop for Jobs"), modernen IT-Systemen und Leistungsanreiz-Systeme für die Manager der Jobvermittlungscentern fertig umgesetzt haben, konzentrieren sich die Bürokraten der deutschen Arbeitsmarktreformen auf die Entwicklung eines neuen Arbeitsagentur-Logos, Fehlerkorrekturen der Software zur Auszahlung der Arbeitslosengelder oder die Fusion der kommunalen Arbeitsvermittlungen mit den zentralgesteuerten Arbeitsagenturen, die dann in einem schwer durchschaubaren Kompetenzirrgarten namens "Optionsmodell" realisiert werden.

Jobcenter Plus Frank-J. Weise Bundestagsausschuss Wirtschaft und Arbeit

Frisch, farbig, fröhlich: Britisches Jobcenter Plus als Vorbild für die Bundesagentur für Arbeit

Baustelle Arbeitsmarktreform: Frank-J. Weise (links) vor dem Bundestagsausschuss Wirtschaft und Arbeit im April 2005

Doch mit nur optisch sichtbaren Umgestaltungen der Arbeitsvermittlung kann es nicht getan sein. Dazu sprechen die Statistiken über die Langzeitarbeitslosigkeit in den OECD-Ländern eine allzu deutliche Sprache. Hier rangiert Deutschland mittlerweile nahezu am Ende der Rangliste, nur noch geringfügig übertroffen von Griechenland, Italien und der Slovakei.

Langzeitarbeitslosigkeit OECD

Langzeitarbeitslosigkeit 2003. Quelle: OECD Factbook 2005

Auch wenn es für das deutsche Selbstverständnis schmerzhaft ist, ein Blick über die Landesgrenze entlarft die hiesige Arbeitsreformrethorik als ein "Jammern auf hohem Niveau". Während in Deutschland nahezu 50% der Arbeitslosen als "Langzeitarbeitslose" klassifiziert werden, weil sie mehr als 12 Monate ohne Beschäftigung sind, wartet die Arbeitsmarktpolitik in Österreich mit nahezu halbierten Prozentzahlen auf (24%).

So brachte es der Wirtschaftsweise Professor Dr. Wolfgang Wiegard als Gastredner des von Monster Deutschland veranstalteten 4. Symposium für Personalverantwortliche in Wiesbaden auf den Punkt: Am Arbeitsmarkt stehen zwei zentrale Probleme nach wie vor ungelöst da. Das erste ist die qualifikationsspezifische Arbeitslosenquote. Damit umschreibt der Wirtschaftsweise die Tatsache, dass die Arbeitslosigkeit in Deutschland ein Problem der gering Qualifizierten sei. Das zweite Problem liege in der Verfestigung der Langzeitarbeitslosigkeit, die nach Wiegards Auffassung durch eine grössere Flexibilität am Arbeitsmarkt und mehr betriebliche Bündnisse für Arbeit bekämpft werden müssen. Lockerungen im Kündigungsschutz würden dazu führen, daß schneller eingestellt und auch schneller entlassen werde. Dies führe zwar nicht notwendigerweise zur Schaffung neuer Jobs, jedoch zu einem Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit.

Und als Erfolgsgeheimnis bleibt am Ende die volkswirtschaftliche Grunderkenntnis: Arbeitslosigkeit bekämpft man am besten mit Wirtschaftswachstum und der Schaffung neuer zusätzlicher Jobs.

11.12.2005/ghk.

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