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Hartz-4-Chaos mit System: BA-Statistik weiter im Kreuzfeuer der Medien

5.9.2005 (ghk). Das Ping-Pong-Spiel um die Arbeitslosen- und Vermittlungsstatistiken der Bundesagentur für Arbeit geht in eine neue Runde.

Frank J. Weise, Bundesagentur für Arbeit

Frank-J. Weise, Bundesagentur für Arbeit

Diesmal waren die Rechercheure und Fernseh-Reporter um Ulrich Meyer an der Reihe, die Statistiken der BA aufs Korn zu nehmen und Inkonsistenzen aufzuzeigen.

So schreibt der Fernsehsender SAT.1 zu seiner Sendung am 1.9.2005 AKTE 05: Hartz-4-Chaos mit System: Was die Agenturen für Arbeit gerne verschweigen: AKTE 05 – Reportern ist es gelungen, die Hintergründe von unsinnigen und falschen Entscheidungen der Agenturen für Arbeit aufzudecken. Eine Mitarbeiterin packt aus: Warum die Vermittlung von Arbeitsplätzen kaum zu schaffen ist – und wie die Arbeitslosenstatistik geschönt wird. AKTE 05 über Probleme bei der Arbeitsvermittlung.

SAT.1 geht es mit seiner "Sendung Akte 05" vordergründig um aktuelle Themen ("Von Beginn an konsequent ist die Live-Sendung "Akte" seinem Konzept treu geblieben: Aktuelle Themen - präzise und glaubwürdig dargestellt; investigativer Journalismus - hart recherchiert; grosse Reportagen, Alltagstests mit versteckter Kamera, tatkräftige Hilfe. Ulrich Meyer und sein Team nehmen den Titel der Sendung als Verpflichtung: Das menschliche Schicksal hinter trockenen Akten.")

Ulrich Meyer AKTE 05

Ulrich Meyer, SAT.1 AKTE 05

So ist das Themen-Paket der "Akte 05"-Macher konsequent gebündelt und Bereiche, die unterhalb des menschlichen Kinns liegen, werden adressiert: Portemonnaie, Proteste und Pornographie sind regelmässige Quotenfüller. Das verdeutlicht ein Blick auf einige Themen der letzten Sendungen:

    Hartz-4-Chaos mit System: Hinter den Kulissen der Agentur für Arbeit

  
 Besser als jeder Mann: Machen Frauen-Sex-Spielzeuge Männer überflüssig?

  
 Tanken mit Preis-Garantie: Für wen sich die neue Benzinpreis-Versicherung wirklich lohnt

  
 Masturbations-Boom: Wenn der Sex im Internet spannender ist als der im Ehebett

  
 Schnüffel-Tod mit 14: Warum die neuen Trend-Drogen der Kinder so gefährlich sind

  
 Handwerker auf dem Prüfstand: Billigkräfte oder Meister-Firma - Wer arbeitet besser?

  
 Dubiose Geschäfte mit Arbeitslosen: Wie Hartz-IV-Empfänger geködert werden

  
 Verloren im Amts-Dschungel: Wie Arbeitslose mit den Bürokraten kämpfen

Auffallend ist, daß sich das Beschwerde-Thema rund um die Bundesagentur für Arbeit quotenfüllend in stetiger Regelmässigkeit ausschlachten lässt. Eigentlich basieren die Akte-05-Beiträge auf "investigativem Journalismus" (SAT.1 Aussage), deren Recherchen gelegentlich auch schon mal mit einem professoralen Gutachten untermauert wird. So hat Professor Dr. F. Sörgel, Leiter des Institutes für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Nürnberg-Heroldsberg die Recherche-Methoden zum TV-Beitrag "Kokain im Europäischen Parlament" als einwandfrei bezeichnet. Doch die in steter Regelmässigkeit anfallenden Pannen bei der Bundesagentur für Arbeit verschaffen Medien und Reportern fast etwas wie das tägliche Brot. Dabei sollte eigentlich die Bundesagentur für Arbeit umfassend auf allen Ebenen strengen Kontrollen unterliegen, die alle Unzulänglichkeiten rechtzeitig aufdecken und zur Beseitigung veranlassen können.

Kontrolle ist gut - Vertrauen ist besser

Mit einem Schutzwall an Kontrolleinrichtungen ist die "Burg Nürnberg" umgeben, auf dass nichts aus dem Ruder läuft. Hier die wichtigsten davon:

    Die Innenrevision der Bundesagentur stellt sicher, dass in allen Dienststellen durch geprüft wird, ob Leistungen unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen nicht hätten erbracht werden dürfen oder zweckmässiger oder wirtschaftlicher hätten eingesetzt werden können.

    Der Verwaltungsrat der BA besteht in drittelparitätischer Zusammensetzung aus je sieben ehrenamtlichen Vertretern der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber und der öffentlichen Hand. Mit der Reform der Bundesagentur wurden Aufgaben des Verwaltungsrats - analog zum Aufsichtsrat in Privatunternehmen - überwiegend auf Kontrollfunktionen reduziert. So kann die Selbstverwaltung Prüfungen durch die Innenrevision verlangen. Entsprechend der Regelung im Aktiengesetz kann er auch externe Sachverständige mit der Prüfung beauftragen. Der Verwaltungsrat überwacht den Vorstand und die Verwaltung. Er kann vom Vorstand die Durchführung von Prüfungen durch die Innenrevision verlangen und Sachverständige mit einzelnen Aufgaben der Überwachung beauftragen. Der Verwaltungsrat kann jederzeit vom Vorstand Auskunft über die Geschäftsführung verlangen.

    Die Aufsicht über die Bundesagentur führt das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit. Sie erstreckt sich grundsätzlich darauf, daß Gesetze und sonstiges Recht beachtet werden. In bestimmten Bereichen besteht Fachaufsicht, d.h. Weisungsrecht z.B. bei Arbeitslosenhilfe, Arbeitsmarktstatistik, Ausländerbeschäftigung. 

    Der Bundesrechnungshof prüft die Haushalts- und Wirtschaftsführung der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

    Darüber hinaus wurde ein Ombudsrat geschaffen, der die Mißstände und Beschwerden im Zusammenhang mit der Hartz-VI-Gesetzgebung adressieren soll. Dem Hartz-IV-Ombudsrat gehören der frühere Vorsitzende der IG Chemie Hermann Rappe, die Ex-Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD) und der frühere sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf an.

Wenn die institutionellen Kontrolleure der BA bei ihrer Arbeit versagen, erscheint die Bundesagentur für Arbeit wie ein Köder, der den Medienraubtieren zum Fraß vorgeworfen wird. Und so wehrt sie sich nach Kräften und muss den regelmässigen Vorwürfen mit Zahlen, Fakten und Pressemitteilungen Widerstand entgegensetzen.

Medien-Schlagzeilen und Rechtfertigungen

Ein jüngstes Beispiel ist die Reaktion auf die Fernsehsendung "Akte 05", als die BA nachstehende Pressemitteilung veröffentlichte:

 

Bundesagentur für Arbeit weist Zahl der Arbeitslosen und der Leistungsempfänger richtig aus

Zum Beitrag „Hartz-4-Chaos mit System“ in der Akte 05 vom 1.9.2005 ist festzustellen:

1. Der Beitrag stellt Fakten bewusst falsch dar. Es gibt keine „geheimen Zahlen“ der BA. In der monatlichen Berichterstattung werden Arbeitslose, Arbeitsuchende, Leistungsempfänger und Maßnahmeteilnehmer detailliert ausgewiesen. Dabei hat sich die BA an die gesetzlichen Vorgaben zu halten. Für den August hat die BA 4,73 Millionen Arbeitslose, 2,02 Millionen nichtarbeitslose Arbeitsuchende und 1,27 Millionen Teilnehmer an ausgewählten Maßnahmen aktiver Arbeitsmarktpolitik genannt. Die genannte Zahl von 9,4 Millionen Arbeitslosen ist blanker Unsinn.

2. In unzulässiger Weise wird aus der Zahl der elektronischen Karteikarten im IT-Vermittlungssystem der BA Schlüsse auf das Ausmaß der Arbeitslosigkeit oder die Zahl der Leistungsbezieher geschlossen. Eine angebliche Mitarbeiterin der BA wird als Expertin dargestellt.

3. In unerträglicher Weise werden Mitarbeiter der BA diffamiert, indem ihnen vorgeworfen wird, sie würden sich nur damit beschäftigen, „die Statistik runterzurechnen“. Richtig ist: Die Mitarbeiter der BA sind engagiert und setzen sich dafür ein, jedem Arbeitslosen das passende Angebot zu unterbreiten. Richtig ist aber auch: Bei dem derzeitigen wirtschaftlichen Wachstum fehlen Arbeitsplätze. Dies hat aber nicht die BA zu verantworten, denn sie schafft keine Arbeitsplätze. Sie kann – und das tut sie im Ergebnis der Reform zunehmend besser – lediglich den Marktausgleich beschleunigen.

4. In dem Beitrag wird nicht differenziert zwischen Agenturen für Arbeit und Arbeitsgemeinschaften. Jedoch ist hier bei eine konkrete Abgrenzung notwendig, da beide auf unterschiedlicher gesetzlicher Grundlage arbeiten.

Zur Erläuterung:

Für jeden arbeitsuchenden Kunden wird eine elektronische Karteikarte angelegt. Das betrifft Menschen, die in Beschäftigung sind und sich verändern wollen, ebenso wie arbeitslose Menschen oder Teilnehmer an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen. Die Anzahl der elektronischen Karteikarten ist feststellbar.

Allerdings: Arbeitslos ist (§ 16 SGB III) nur, wer

• zwischen 15 und 65 Jahren alt ist,
• keine Beschäftigung hat oder weniger als 15 Stunden in der Woche arbeitet,
• Arbeit sucht
• dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht und
• bei einer Agentur für Arbeit oder einem Träger der Grundsicherung gemeldet ist.

Teilnehmer an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sind nicht arbeitslos. Nicht jeder, der Arbeitslosengeld oder Arbeitslosengeld II bezieht, ist somit gleichzeitig arbeitslos.

Das gilt z.B. für Menschen, die

• Arbeitslosengeld unter erleichterten Bedingungen in Anspruch nehmen (58-Jährige und Ältere, die sich dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stellen),
• mindestens 15 Stunden in der Woche arbeiten, aber wegen zu geringem Einkommen zusätzlich Arbeitslosengeld II erhalten,
• Schüler, die Arbeitslosengeld II erhalten,
• als
Arbeitslosengeld-II-Bezieher wegen besonderer Umstände dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen (z.B. wegen der Betreuung kleiner Kinder oder der Pflege Angehöriger)

Andererseits bezieht nicht jeder, für den eine elektronische Karteikarte angelegt wird, Versicherungsleistungen oder staatliche Unterstützung. Als Beispiel seien Menschen genannt, die keinen Anspruch aus der Arbeitslosenversicherung haben und nicht hilfebedürftig sind, aber einen Job über die Agentur für Arbeit suchen.

Quote Quote über alles

Für die Medien zählt am Ende  nur die wahre Währung der Werbebranche: Die Zuschauer-Reichweite. Und so meldet die  Presseabteilung von SAT.1 am 2.9.2005 stolze Medien-Zahlen:

Mit 15,6 Prozent MA (14-49 Jahre) übernahm Sat.1 gestern Abend die Primetime-Marktführung in der relevanten Zielgruppe: „Schillerstraße“ (19,6% MA), gefolgt von „Navy CIS“ (14,8% MA) und „AKTE 05“ (15,7% MA). Der Tagesmarktanteil lag bei den 14- bis 49-Jährigen bei 15,3 Prozent.

Inwieweit sich die intensive Medienberichterstattung und Rechtfertigungs-Stellungnahmen auf die Verbesserung der Arbeitslosenvermittlung ausgewirkt hat, wird Stillschweigen gewahrt.