So ist das Themen-Paket der "Akte 05"-Macher
konsequent gebündelt und Bereiche, die
unterhalb des menschlichen Kinns liegen, werden
adressiert: Portemonnaie, Proteste und Pornographie sind regelmässige Quotenfüller. Das verdeutlicht ein Blick
auf einige Themen der letzten Sendungen:
Hartz-4-Chaos mit System:
Hinter den Kulissen der
Agentur für Arbeit
Besser als jeder Mann:
Machen Frauen-Sex-Spielzeuge
Männer überflüssig?
Tanken mit Preis-Garantie:
Für wen sich die neue
Benzinpreis-Versicherung wirklich lohnt
Masturbations-Boom:
Wenn der Sex im Internet
spannender ist als der im Ehebett
Schnüffel-Tod mit 14:
Warum die neuen Trend-Drogen
der Kinder so gefährlich sind
Handwerker auf dem Prüfstand:
Billigkräfte oder
Meister-Firma - Wer arbeitet besser?
Dubiose Geschäfte mit Arbeitslosen:
Wie
Hartz-IV-Empfänger geködert werden
Verloren im Amts-Dschungel:
Wie Arbeitslose mit den Bürokraten kämpfen
Auffallend ist, daß sich das Beschwerde-Thema rund um
die Bundesagentur für Arbeit quotenfüllend in stetiger
Regelmässigkeit ausschlachten lässt. Eigentlich basieren
die Akte-05-Beiträge auf "investigativem Journalismus"
(SAT.1 Aussage), deren Recherchen gelegentlich auch schon mal mit einem
professoralen Gutachten untermauert wird. So hat Professor
Dr. F. Sörgel, Leiter des Institutes für Biomedizinische
und Pharmazeutische Forschung in Nürnberg-Heroldsberg
die Recherche-Methoden zum TV-Beitrag "Kokain im
Europäischen Parlament" als einwandfrei bezeichnet.
Doch die in steter Regelmässigkeit anfallenden Pannen
bei der Bundesagentur für Arbeit verschaffen Medien
und Reportern fast etwas wie das tägliche Brot. Dabei
sollte eigentlich die Bundesagentur für Arbeit umfassend
auf allen Ebenen strengen Kontrollen unterliegen, die
alle Unzulänglichkeiten rechtzeitig aufdecken und zur
Beseitigung veranlassen können.
Kontrolle ist gut - Vertrauen ist besser
Mit einem Schutzwall an Kontrolleinrichtungen ist die
"Burg Nürnberg" umgeben, auf dass nichts aus dem Ruder
läuft. Hier die wichtigsten davon:
Die Innenrevision der Bundesagentur stellt
sicher, dass in allen Dienststellen durch geprüft wird,
ob Leistungen unter Beachtung der gesetzlichen
Bestimmungen nicht hätten erbracht werden dürfen oder
zweckmässiger oder wirtschaftlicher hätten eingesetzt
werden können.
Der Verwaltungsrat der BA besteht in
drittelparitätischer Zusammensetzung aus je sieben
ehrenamtlichen Vertretern der
Arbeitnehmer, der Arbeitgeber
und der öffentlichen Hand. Mit der Reform der
Bundesagentur wurden
Aufgaben des Verwaltungsrats - analog zum
Aufsichtsrat in
Privatunternehmen - überwiegend auf Kontrollfunktionen
reduziert. So kann die Selbstverwaltung Prüfungen durch
die Innenrevision verlangen. Entsprechend der
Regelung im Aktiengesetz kann er auch externe
Sachverständige mit der Prüfung beauftragen. Der
Verwaltungsrat überwacht den Vorstand und die
Verwaltung. Er kann vom Vorstand die Durchführung von
Prüfungen durch die Innenrevision verlangen und
Sachverständige mit einzelnen Aufgaben der Überwachung
beauftragen. Der Verwaltungsrat kann jederzeit vom
Vorstand Auskunft über die Geschäftsführung verlangen.
Die Aufsicht über die Bundesagentur führt das
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit. Sie
erstreckt sich grundsätzlich darauf, daß Gesetze und
sonstiges Recht beachtet werden. In bestimmten Bereichen
besteht Fachaufsicht, d.h. Weisungsrecht z.B. bei
Arbeitslosenhilfe, Arbeitsmarktstatistik,
Ausländerbeschäftigung.
Der Bundesrechnungshof prüft die Haushalts-
und Wirtschaftsführung der bundesunmittelbaren
juristischen Personen des öffentlichen Rechts.
Darüber hinaus wurde ein Ombudsrat geschaffen,
der die Mißstände und Beschwerden im Zusammenhang mit
der Hartz-VI-Gesetzgebung adressieren soll. Dem
Hartz-IV-Ombudsrat gehören der frühere Vorsitzende der
IG Chemie Hermann Rappe, die Ex-Bundesfamilienministerin
Christine Bergmann (SPD) und der frühere sächsische
Ministerpräsident Kurt Biedenkopf an.
Wenn die institutionellen Kontrolleure der BA bei
ihrer Arbeit versagen, erscheint die Bundesagentur für
Arbeit wie ein Köder, der den Medienraubtieren zum Fraß
vorgeworfen wird. Und so wehrt sie sich nach Kräften und muss den regelmässigen Vorwürfen mit
Zahlen, Fakten und
Pressemitteilungen Widerstand entgegensetzen.
Medien-Schlagzeilen und Rechtfertigungen
Ein jüngstes Beispiel ist die Reaktion auf die
Fernsehsendung "Akte 05", als die BA nachstehende
Pressemitteilung veröffentlichte:
Bundesagentur für Arbeit weist Zahl der Arbeitslosen und
der Leistungsempfänger richtig aus
Zum Beitrag
„Hartz-4-Chaos mit System“ in der Akte 05 vom 1.9.2005
ist festzustellen:
1. Der
Beitrag stellt Fakten
bewusst
falsch dar. Es gibt keine „geheimen Zahlen“ der BA. In
der monatlichen Berichterstattung werden Arbeitslose,
Arbeitsuchende, Leistungsempfänger und
Maßnahmeteilnehmer detailliert ausgewiesen. Dabei hat
sich die BA an die gesetzlichen Vorgaben zu halten. Für
den August hat die BA 4,73 Millionen Arbeitslose, 2,02
Millionen nichtarbeitslose Arbeitsuchende und 1,27
Millionen Teilnehmer an ausgewählten Maßnahmen aktiver
Arbeitsmarktpolitik genannt. Die genannte Zahl von 9,4
Millionen Arbeitslosen ist blanker Unsinn.
2. In
unzulässiger Weise wird aus der Zahl der elektronischen
Karteikarten im
IT-Vermittlungssystem
der BA Schlüsse auf das Ausmaß der Arbeitslosigkeit oder
die Zahl der Leistungsbezieher geschlossen. Eine
angebliche Mitarbeiterin der BA wird als Expertin
dargestellt.
3. In
unerträglicher Weise werden Mitarbeiter der BA
diffamiert, indem ihnen vorgeworfen wird, sie würden
sich nur damit beschäftigen, „die Statistik
runterzurechnen“. Richtig ist: Die Mitarbeiter der BA
sind engagiert und setzen sich dafür ein, jedem
Arbeitslosen das passende Angebot zu unterbreiten.
Richtig ist aber auch: Bei dem derzeitigen
wirtschaftlichen Wachstum fehlen Arbeitsplätze. Dies hat
aber nicht die BA zu verantworten, denn sie schafft
keine Arbeitsplätze. Sie kann – und das tut sie im
Ergebnis der Reform zunehmend besser – lediglich den
Marktausgleich beschleunigen.
4. In dem
Beitrag wird nicht differenziert zwischen Agenturen für
Arbeit und Arbeitsgemeinschaften. Jedoch ist hier bei
eine konkrete Abgrenzung notwendig, da beide auf
unterschiedlicher gesetzlicher Grundlage arbeiten.
Zur
Erläuterung:
Für jeden
arbeitsuchenden Kunden wird eine elektronische
Karteikarte angelegt. Das betrifft Menschen, die in
Beschäftigung sind und sich verändern wollen, ebenso wie
arbeitslose Menschen oder Teilnehmer an
arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen. Die Anzahl der
elektronischen Karteikarten ist feststellbar.
Allerdings:
Arbeitslos ist (§ 16
SGB
III) nur, wer
• zwischen 15
und 65 Jahren alt ist,
• keine Beschäftigung hat oder weniger als 15 Stunden in
der Woche arbeitet,
• Arbeit sucht
• dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht und
• bei einer Agentur für Arbeit oder einem Träger der
Grundsicherung gemeldet ist.
Teilnehmer an
arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sind nicht arbeitslos.
Nicht jeder, der Arbeitslosengeld oder Arbeitslosengeld
II bezieht, ist somit gleichzeitig arbeitslos.
Das gilt z.B.
für Menschen, die
•
Arbeitslosengeld unter erleichterten Bedingungen in
Anspruch nehmen (58-Jährige und Ältere, die sich dem
Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stellen),
• mindestens 15 Stunden in der Woche arbeiten, aber
wegen zu geringem Einkommen zusätzlich Arbeitslosengeld
II erhalten,
• Schüler, die Arbeitslosengeld II erhalten,
• als
Arbeitslosengeld-II-Bezieher
wegen besonderer Umstände dem Arbeitsmarkt nicht zur
Verfügung stehen (z.B. wegen der Betreuung kleiner
Kinder oder der Pflege Angehöriger)
Andererseits
bezieht nicht jeder, für den eine elektronische
Karteikarte angelegt wird, Versicherungsleistungen oder
staatliche Unterstützung. Als Beispiel seien Menschen
genannt, die keinen Anspruch aus der
Arbeitslosenversicherung haben und nicht hilfebedürftig
sind, aber einen Job über die Agentur für Arbeit suchen.
Quote Quote über alles
Für die Medien zählt am Ende nur die wahre
Währung der Werbebranche: Die Zuschauer-Reichweite. Und
so meldet die Presseabteilung von SAT.1 am
2.9.2005 stolze Medien-Zahlen:
Mit 15,6
Prozent MA (14-49 Jahre) übernahm Sat.1 gestern Abend
die
Primetime-Marktführung
in der relevanten Zielgruppe: „Schillerstraße“ (19,6%
MA), gefolgt von „Navy
CIS“ (14,8% MA) und „AKTE 05“ (15,7% MA). Der
Tagesmarktanteil lag bei den 14- bis 49-Jährigen bei
15,3 Prozent.
Inwieweit sich die intensive Medienberichterstattung
und Rechtfertigungs-Stellungnahmen auf die Verbesserung
der Arbeitslosenvermittlung ausgewirkt hat, wird
Stillschweigen gewahrt.