Gummersbach, 23. März 2005 Deutsche
Personalverantwortliche begrüßen die Rückführung des
Gesetzentwurfs zur Anti-Diskriminierung auf die Vorgaben
der EU-Richtlinien im arbeitsrechtlichen Teil. 98
Prozent haben sich in einer Umfrage der
Managementberatung Kienbaum zum
Antidiskriminierungsgesetz strikt gegen einen
Gesetzesentwurf über die Vorgaben der EU-Richtlinien
ausgesprochen. Sie erwarten aber Rechtssicherheit und
-klarheit für die Praxis. „Der Gesetzgeber muss bei der
Umsetzung alle Gestaltungsräume im Interesse des
Wirtschaftsstandortes Deutschland nutzen. Die
EU-Richtlinien enthalten entsprechend ihrer Zwecksetzung
keine voll umfängliche Konkretisierung. Es ist die
Aufgabe des deutschen Gesetzgebers, diese
Konkretisierung vorzunehmen. Wenn der Gesetzgeber
Schlüsselbegriffe nur abschreibt und nicht umsetzt,
delegiert er die Ausgestaltung des Gesetzes an die
überlastete Arbeitsgerichtsbarkeit", sagt Jürgen Kunz,
Geschäftsführer und Arbeitsmarktexperte von Kienbaum.
Umsetzung, Konkretisierung und Gestaltung – drei
Schlüsselaufgaben des Gesetzgebers
„Bei Umsetzung, Konkretisierung und Gestaltung des
Gesetzes sollte der Gesetzgeber einen Fokus auf die
vollständigen Neuregelungen zur Arbeitgeberhaftung (Schadensersatz
und Entschädigung in der bisherigen Form beseitigen),
die Neufassung der Paragrafen zur Zulässigkeit
unterschiedlicher Behandlung (wegen beruflicher
Anforderungen, Religion, Weltanschauung, Alter), den
Klarstellungen an den Schnittstellen zu anderen
arbeitsrechtlichen Vorschriften (z.B.
Kündigungsschutz, Sozialpläne, Befristung) und die
weitestgehende Vermeidung von Bürokratismus,
insbesondere Dokumentationsbürokratismus (bei
Bewerbung und Beförderung u.a.) setzen“, so
Kienbaum-Partner Jürgen Kunz.
Schadensersatz und Entschädigung in unbegrenzter
Höhe beseitigen
„Die Haftung des Arbeitgebers auf Zahlung einer
angemessenen Entschädigung, also eines Schmerzensgeldes
ohne jede finanzielle Höchstgrenze, auch wenn den
Arbeitgeber kein Verschulden trifft, ist völlig neu zu
fassen. Die Missbrauchsgefahr dieser Regelung – die die
EU-Richtlinie nicht verlangt – ist groß. Hinzu kommt ein
in der Regel deutlich höherer
Schadensersatzanspruch für den Ersatz materieller
Schäden, wenn der Arbeitgeber dies zu vertreten hat.
Dieser soll nach dem Gesetzentwurf zeitlich nicht
begrenzt sein, d.h. der Bewerber wird den entgangenen
Lohn als Schadensersatz geltend machen, den er bekommen
hätte, wenn er angestellt worden wäre, und dies unter
Umständen für viele Jahre. Dies ist ein inakzeptables
Schadensersatzrisiko für den Arbeitgeber. Es ist
zumindest eine Haftungsbegrenzung zu fordern", so Jürgen
Kunz.
Regelungen zur Zulässigkeit unterschiedlicher
Behandlung konkretisieren
Die Paragrafen 8-10 des Gesetzentwurfs regeln die
zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher
Anforderungen (§ 8), wegen der Religion oder
Weltanschauung (§ 9) sowie wegen des Alters (§ 10). Im
Zusammenhang mit der Beweislastumkehr, kommt diesen
Vorschriften eine zentrale Bedeutung zu. Dabei ist die
zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters
von besonderer Praxisrelevanz. „Hier zeigt sich eine
weitere Schwäche des bisher vorliegenden Gesetzentwurfs.
Dieser sieht vor, dass eine unterschiedliche Behandlung
wegen des Alters auch zulässig ist, "wenn sie
objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel
gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses
Ziels müssen angemessen und erforderlich sein." Mit
solchen generalklauselartigen Formulierungen ist der
Praxis nicht gedient. Der Gesetzgeber hat gerade in
dieser wichtigen Frage seinen Gestaltungsspielraum und
seine Pflicht zur Konkretisierung bisher nicht
wahrgenommen. Auch die weiteren Regelungen zur
zulässigen unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters
hat der deutsche Gesetzgeber nicht mit Leben gefüllt,
sondern nur wörtlich aus Artikel 6 Abs. 1 der
EU-Richtlinie zu Beschäftigung und Beruf abgeschrieben.
Das ist keine Umsetzung. Der Gesetzgeber ist
aufgefordert, die dort angesprochenen Festlegungen, die
die Praxis dringend benötigt, so konkret wie möglich zu
fassen", so Kunz.
Klarstellungen an den Schnittstellen zu anderen
arbeitsrechtlichen Vorschriften vornehmen
Der Vorwurf, der rigide Kündigungsschutz erschwere
das Entstehen neuer Arbeitsplätze, erhält nach der
Kienbaum-Umfrage aus Sicht der deutschen
Personalverantwortlichen durch das ADG neuen Zündstoff.
96 Prozent befürchten, dass das Gesetz als "Zweite
Waffe" gegen den Arbeitgeber im Falle einer Kündigung
verwendet wird. „Es kollidieren unterschiedliche
Rechtsvorschriften, die nicht aufeinander abgestimmt
sind. Es besteht erheblicher Konkretisierungsbedarf,
insbesondere bei der Bewertung einer etwaigen
Ungleichbehandlung wegen Alters in ihren Auswirkungen
bei der Sozialauswahl (Stichwort Lebensalter) oder
Sozialplänen. Während sich die Personalverantwortlichen
ein einheitliches Arbeitsgesetzbuch wünschen, was schon
der Einigungsvertrag von 1989 (!) fordert, führt das
Antidiskriminierungsgesetz in seinen arbeitsrechtlichen
Auswirkungen zu einer weiteren Zersplitterung. Wir
entfernen uns noch weiter von dem Ziel einer
Vereinheitlichung und Verschlankung. Es muss zumindest
Klarheit im Verhältnis der Gesetze untereinander
geschaffen werden ", sagt Jürgen Kunz.
Überbürokratismus beseitigen – kein
"4-fach"-Bürokratismus
„Auch bei
einer 1:1-Umsetzung der EU-Richtlinien wird sich nicht
jeder Bürokratismus vermeiden lassen. Die Diskussion
wurde bisher in erster Linie um die Einführung einer
weiteren Bundesbehörde mit der
Antidiskriminierungsstelle des Bundes geführt. Die
Antidiskriminierungsstelle ist jedoch nur die eine Seite
der Bürokratie-Medaille. Die Folge des Gesetzes ist
mindestens eine 4-fach-Bürokratie. Erstens
müssen die Unternehmen einen erhöhten
Dokumentationsaufwand betreiben. Zweitens
wird eine staatliche Behörde, die
Antidiskriminierungsstelle des Bundes, zur Unterstützung
eingerichtet.
Drittens werden
sich Antidiskriminierungsverbände wegen des Klagerechts
der Verbände bilden. Und viertens
müssen letztendlich doch wieder die Gerichte
entscheiden. Der Wunsch an den Gesetzgeber lautet, wo
Bürokratismus vermieden werden kann, diesen zu
vermeiden", sagt Jürgen Kunz.
„Es gilt,
die Frustration auf Arbeitgeberseite über die in der
Praxis inakzeptable Rechtsunsicherheit, gepaart mit
unnötigen Kosten für Dokumentations-Bürokratismus zu
beseitigen. Ziel muss es sein, deutsche Arbeitgeber und
die dringend benötigten ausländischen Investoren für
Deutschland zu gewinnen", sagt Kienbaum-Partner Kunz.
Wenn 71 Prozent der Personalmanager, so die
Kienbaum-Umfrage, Einstellungsgespräche nur noch im
Beisein von Zeugen oder Protokollführern führen wollen,
bedarf der Gesetzentwurf der Korrektur. „Bewerben sich
auf eine Stellenausschreibung 500 Interessenten, müssen
zwangsläufig 499 eine Absage erhalten. Sechs Monate
sollen nach dem Gesetzentwurf die abgelehnten Bewerber
dann Zeit für eine Antidiskriminierungsklage auf
Schadensersatz und Entschädigung haben. Der Vorgang der
Stellenbesetzung ist also nicht mit der Besetzung
abgeschlossen, sondern - wenn auch nur ein abgelehnter
Bewerber klagt - erst dann, wenn über die Klage vom
Bundesarbeitsgericht entschieden ist. Diese Ansprüche
muss der abgelehnte Bewerber nicht einmal selber geltend
machen, er soll sie sogar an einen
Antidiskriminierungsverband zur gerichtlichen
Geltendmachung abtreten können. Dies erhöht das Risiko
des Arbeitgebers, mit (auch) aussichtslosen Klagen
überzogen zu werden. Daher ist dieser Teil des Entwurfs
gründlich zu bearbeiten", so Jürgen Kunz.
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