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Jobgipfel gegen die Einzelarbeitslosigkeit

Auf Berliner Jobgipfeln scheint ewig die Sonne. Den Weg aus dem Jammertal finden wir selbst!

Was für ein Programm gegen die Massenarbeitslosigkeit das politische Berlin auch auflegt: Ich fürchte, es wird wieder bloß ein Fernseh-Programm. Nicht nur das. Wir bleiben im wirklichen Leben die Zuschauer. Und wir zahlen für die Endlos-Redezeit der Experten am Ende doch nur mit weiterem Verlust an Arbeitszeit.

Gerhard Winkler

Gerhard Winkler

Ich stelle Ihnen ein Sofort-Programm vor. Es soll nicht die allgemeine, bloß Ihre individuelle Einzelarbeitslosigkeit überwinden. Dafür ist es ein echtes Aktionsprogramm.

Sicher, ich mische alte Rezepte. Die sind außerdem sehr simpel. Gerade deswegen braucht man zur glücklichen Umsetzung auch keine beratungszentrierten Fallmanager in dezentralisierten Job-Aktiv-Centern. Dazu braucht es nur Sie.

Und so sehen die Programmpunkte Ihres persönlichen Jobgipfels aus:

1. Konzentrieren Sie sich nicht auf die ausgeschriebenen Stellen.

Das haben Sie nämlich bisher gemacht. Es gab nur wenige Angebote. Ihre Bewerbung ist kaum einem je aufgefallen. Wie jetzt weiter? Wollen Sie abwarten, bis die Anzeigenredaktionen einen unverhofften wirtschaftlichen Aufschwung erleben?

Oder bis ein staatlicher Arbeitausgeber Sie anweist, “alten Leuten täglich etwas vorzulesen”? Nach IG Bau-Chef Wiesehügel ist das die “Arbeit, die notwendig ist in diesem Land.”

Doch keiner im Land spricht von der Arbeit, die für Sie notwendig ist. Ist das nicht der Gipfel?

Reden Sie nicht davon, was in Deutschland getan werden müsste. Kümmern Sie sich nur um das, was Sie selber von Herzen gern tun wollen.

 

Schnüren Sie Ihr persönliches Paket an Leistungen und Diensten. Entwerfen Sie es zum Nutzen einer Organisation, einer Mannschaft oder aber einer Person, der Sie zuarbeiten. Feilen Sie an Ihrem Leistungsangebot. Arrangieren Sie es um. Konfrontieren Sie damit Testpersonen und Testmärkte und entwickeln Sie Ihren Arbeitsvorschlag beherzt weiter.

Sie werden sich besser fühlen, wenn Ihnen klar vorschwebt, was Sie sich aufschultern wollen. Und Ihr Selbstwertgefühl wächst noch einmal, wenn Sie Ihre Job-Intentionen und Vorschläge so unmissverständlich, eindeutig und selbstsicher vermitteln wie Udo Jürgens seine Absichten gegenüber der jüngeren Damenwelt.

Identifizieren Sie passende Arbeitsstätten. Suchen Sie dabei immer auch jenseits der Grenzen. Spezialisten wanderten schon global, als das Kapital noch nicht einmal laufen konnte. Stellen Sie von sich aus den Kontakt zu denkbaren Arbeitgebern her. Sagen Sie frank und zappa Ihr Vermarkter-Sprüchlein auf. Zieren Sie sich nicht. Selbstvermarktung ist keine Schande. Heraus mit der Sprache. Heraus mit Ihrem geschäftlichen Vorschlag!
2. Konzentrieren Sie sich auf die Personen, die etwas möglich machen

Da ist die Person an der Spitze einer erfolgreichen Organisation. Sie riecht gute Leute durch die verschlossene Chefzimmertür. Der erste Adressat für Ihre jobbezogenen Ansprache hat darum das meiste Sagen, überblickt immer noch seinen Betrieb und entscheidet nach zwei Minuten, ob Ihr Einsatz möglicherweise das Unternehmen stärkt.

Da ist die Abteilungsleitung. Sie kennt den aktuellen Bedarf, plant vor und erkennt auf Anhieb, was man mit Ihnen und dank Ihres Einsatzes noch alles anpacken könnte.

Da sind die grimmigen Hüter der Kontaktadressen. Die Abteilungs- und Chefsekretäre, Assistenten oder Mitarbeiter am Empfang wissen, wen in der Firma Ihr Anliegen angeht. Und sie wissen auch, was im Betrieb gerade vorgeht. Jobfinder wissen wiederum, wie man das Vertrauen dieser Personen gewinnt und wie man sie dazu bringt, dass sie singen.

Da wären noch die Personalmanager. Wenn Ihre Bewerbung nicht zu einer Jobbeschreibung in der Datenbank des Personalfachmanns passt, dann wird er Ihr Profil an die Fachabteilung weitergeben. Aber nur im besten Fall. Als erfahrener Initiativbewerber verlassen Sie sich nicht unbesehen darauf, dass es eine Personalabteilung schon richten wird.

Überhaupt fahren diese HR-Experten all zu oft auf Deckblätter *** ab, verschlingen begeistert die Persönliche Seite 3 und reagieren enttäuscht, wenn man sich die Aufzählung von Hobbys und Interessen im Lebenslauf erspart. Was soll man mit solch indiskreten Formalisten? Über Tennis quatschen? Je qualifizierter Sie selber sind und je ernsthafter Sie Ihre Karriere betreiben, desto mehr bevorzugen Sie als Erstkontakt einen Ansprechpartner aus Ihrer Sparte. Der hatte Psychologie nicht als Nebenfach und versteht dennoch besser Ihr berufliches Ich.

3. Konzentrieren Sie sich auf Ihr Zeit- und Projektmanagement

Ihr Job ist es, einen Job zu finden. Lassen Sie sich nicht die halbe Nacht vom öffentlich schlechten Rundfunk beflimmern. Gehen zu Bett, schlafen Sie gut und stehen Sie nicht allzu spät wieder auf. Wenn die anderen anfangen zu arbeiten, dann sind die anderen, mithin die Jobanbieter und Jobschaffer, auch alle an ihrem Arbeitsplatz und für Sie erreichbar.

Teilen Sie Ihre Zeit ein: Firmen recherchieren & Adressaten identifizieren. Den neuen Adressbestand teilen. Die eine Hälfte anrufen, die andere anschreiben. Den alten Adressbestand bearbeiten: Nachfassen und sich in Erinnerung bringen. Die eigenen Profile in den Jobbörsen pflegen. Den Jobmarkt, das Wirtschafts- und Tagesgeschehen im Web verfolgen. Kontaktbörsen für Selbstvermarkter abgrasen. Das informelle Gespräch mit Personalern, Entscheidungsträgern, Karriereexperten suchen. Auf Offerten antworten. Dankmails schreiben. Gesprächs- und Verhandlungsführung trainieren. Sich mit gleichgesinnten Schicksalsgefährten treffen. Allein oder in der Gruppe lernen. Innerhalb einer Non-Profit-Organisation mindestens einmal wöchentlich ehrenamtlich aktiv sein.

Sich um ein Visum in die Ukraine bemühen. Es muss ja nicht gerade die Ukraine sein, aber es gibt frostfreie Länder mit hohem Freizeitwert, wo Unternehmer auf qualifizierte Metzger, Fischer und Diplom-Ingenieure aus Deutschland noch froh reagieren.

Dauerarbeitslosigkeit ist bitter. So wie sich der Jobmarkt verkrustet, verhärtet sich die individuelle Verbitterung bis hin zum klinischen Befund. Wenn Sie vor der scharfen Negativität von Personen aus Ihrer Umgebung instinktiv zurückweichen, dann folgen Sie bitte diesem Impuls.

Suchen Sie selbst starke Verbündete und Unterstützer als Schutzhelfer gegen eigene Verzweiflungsattacken. Finden und pflegen Sie Ihre persönlichen Quellen der Kraft: Partnerschaft, Familie, Freunde, Sport, Engagement …

Meiden Sie aktiv Menschen, die nichts Gutes mehr sehen, nichts Gutes mehr sagen, nichts Gutes mehr tun. Vielleicht ist es ja wirklich der globale Kapitalismus, der Sie krank macht, aber Sie werden auch nur im globalen Kapitalismus wieder gesund.

Dazu gehört, dass Sie die Balance zwischen Jobsuche und Leben finden und halten. Dass Sie den Kurztripp in die nächste Stadt mit dem neuen Museumsbau unternehmen. Dass Sie sich Zeit für Ihre Freunde nehmen. Dass Sie sich zurückziehen und lesen. Dass Sie spielen. Dass Sie sich in Einklang mit der großen Natur und mit ihrer eigenen Natur bringen.

Wie jede Krise verstärkt Jobverlust das Gute und das Schlechte, das in einem liegt. Rufen Sie in dieser Lage nicht nach dem starken Staat. Der Staat ist bei uns durchaus mit sich selbst beschäftigt. Appellieren Sie an Ihre eigene Findigkeit. An Ihre Cleverness, Ihr Durchhaltevermögen und Ihre Ausdauer. Bauen Sie besonders auch auf Ihr Vermögen, allen Widrigkeiten zum Trotz ganz fest an sich zu glauben.

*** Leser-Zuschrift: "Ich habe erst am Wochenende eine Personalerin zu mir sagen hören "ein anständiges Deckblatt ist heute ein Muss …" - Kein Mensch muss müssen. Auch die formalingetränkte Schema-F-Personalfrau bringen Sie mit der einfach und funktional gehaltenen, faktisch und spezifisch argumentierenden Präsentation auf Ihre Seite. Sie arbeiten ihr zu. Sie müllen sie nicht zu. Sie wägen exakt ab, was sie zum Profilvergleich und zur Entscheidungsfindung braucht. Und bedienen sie damit bestens.

Going where the climate suits my clothes, 11.03.2005 - Gerhard Winkler
Kommentar an den Bewerbungshelfer: gwinkler@jova-nova.com

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