Frankfurt, 15. Dezember 2003. In den kommenden Jahren
wird es eine wachsende Zahl von Fusionen, Übernahmen und
Betriebsaufgaben bei den Zeitungsverlagen in Deutschland
geben. Die Gründe: die angespannte Finanzlage der
meisten Zeitungsverlage, die wachsende Konkurrenz durch
das Internet und die schwache Marktstellung vieler
kleiner Verlage. 70 Prozent der Verlage gehen davon aus,
dass es zu einer Konzentration auf dem deutschen
Zeitungsmarkt kommen wird. Diese Entwicklung wird durch
die zu erwartende Lockerung der Fusionskontrolle auf dem
deutschen Zeitungsmarkt zusätzlich erleichtert und
beschleunigt. Das sind Ergebnisse einer Studie des
Wirtschaftsprüfungsunternehmens Ernst & Young. Die
Studie basiert auf einer Befragung von 100 deutschen
Zeitungsverlagen.
Die Krise bei den deutschen Tageszeitungen hält
unvermindert an. Im Jahr 2003 ging der Umfang der
Anzeigen um sechs Prozent zurück, im Rubrikengeschäft
(Stellen-, Immobilien- und Kfz-Markt) um 17 Prozent. Im
Vergleich zum Boomjahr 2000 liegt der Rückgang sogar bei
27 Prozent (Anzeigen insgesamt) bzw. 48 Prozent (Rubrikenmarkt).
Keine Erholung im Rubrikengeschäft
Zwar werden die Umsätze mit Werbeanzeigen bei einem
Anziehen der Konjunktur wieder steigen, eine nachhaltige
Erholung im Rubrikengeschäft ist aber laut Studie nicht
in Sicht. "Das Rubrikengeschäft wird dauerhaft auf
niedrigem Niveau verbleiben", prognostiziert Lutz Frey,
Partner bei Ernst & Young und einer der Autoren der
Studie. "Die Verlage müssen erkennen, dass sie etwa beim
Stellen- oder Kfz-Markt der Online-Konkurrenz nicht
gewachsen sind". Eine deutliche Mehrheit (70 Prozent)
der Verlage geht davon aus, dass sich bei einem
Anspringen der Konjunktur auch das Rubrikengeschäft
wieder erholen wird – eine zu optimistische Prognose, so
Frey: "Langfristig wird das Rubrikengeschäft zum großen
Teil ins Internet abwandern. Die Hoffnung der Verlage,
dass ein großes Stück des Kuchens bei den Tageszeitungen
bleibt, ist angesichts der wachsenden Akzeptanz der
Online-Marktplätze unbegründet."
Finanzierungskrise verstärkt Konsolidierung
Nach drei Krisenjahren sind die finanziellen Reserven
der meisten Verlage aufgebraucht.
Kostensenkungsprogramme werden – so 94 Prozent der
Verlage – auch in Zukunft anhalten. Die Sparmaßnahmen
werden auch Personalreduzierungen im redaktionellen
Bereich umfassen (64 Prozent). "Kostensenkungen
versprechen nur eine Linderung des Problems", so Frey.
"Die erheblichen strukturellen und finanziellen Probleme
können damit alleine nicht gelöst werden".
Rund die Hälfte – 51 Prozent – der Verlage geben an,
dass das Thema "Finanzierung" derzeit für sie eine große
Rolle spielt. Neue Finanzmittel, die für notwendige
Investitionen benötigt werden, stehen oftmals nicht zur
Verfügung, da die Banken sich bei der Kreditvergabe
zunehmend restriktiv verhalten. "Viele Verlage stellen
derzeit fest, dass die Banken ihnen den Geldhahn zu
drehen und eine weitere Finanzierung sowohl des
laufenden Betriebs als auch notwendiger Investitionen
nicht sichergestellt ist," betont Frey. Gerade kleine
Zeitungsverlage mit schwacher Marktstellung seien akut
bedroht und stünden vielfach kurz vor dem Aus.
Finanzinvestoren warten auf Aufbrechen des Marktes
Die zu erwartende Lockerung der Fusionskontrolle wird –
so die Studie – zu einer Intensivierung der
Transaktionsaktivitäten im Markt führen, da die Regeln
für Kauf und Verkauf von Zeitungsverlagen erleichtert
werden. Diese Erleichterungen betreffen in erster Linie
die kleinen und mittleren Verlage, da der
Zusammenschluss mit Zeitungsverlagen in ihrem direkten
wirtschaftlichen Umfeld niedrigeren Hürden unterliegen
werden. Allerdings werden auch die großen
Zeitungsgruppen – etwa über ihre Beteiligungen an
kleineren Verlagen – die Konsolidierung aktiv
vorantreiben.
Zu erwarten ist, dass regionale Verlage ihre
Marktstellung ausbauen und schwächere Konkurrenten
übernehmen werden. Hanno Hepke, Partner und M&A
Spezialist bei der Ernst & Young Corporate Finance
Beratung GmbH, erwartet, dass starke Bewegung in den
Markt kommen wird: "Für Finanzinvestoren ist der
deutsche Zeitungsmarkt grundsätzlich sehr interessant,
da er extrem fragmentiert ist. Durch eine aktive
Konsolidierung und das Ausnutzen von Synergien können
sich für Finanzinvestoren erhebliche Wertsteigerungen
ihrer Beteiligungen ergeben". Die Größe und das Volumen
des Tageszeitungsmarktes, relativ hohe
Eintrittsbarrieren für neue Marktteilnehmer und eine
oftmals führende Marktstellung seien Argumente, die für
ein Engagement im Zeitungsmarkt sprächen. "Deutsche und
internationale Private-Equity Gesellschaften stehen
bereits in den Startlöchern und beobachten sehr
interessiert die Entwicklung in Deutschland. Bei einer
Lockerung der Fusionskontrolle werden wir in den
kommenden Jahren eine deutliche Zunahme von
Unternehmenstransaktionen unter Beteiligung von
Finanzinvestoren sehen," erwartet Hepke.
Lesen Sie die Studie
Zeitungsverlage im Umbruch (PDF - 551 KB, 44
Seiten)