Das
deutsche Gesundheitswesen steht vor einer Welle von
Fusionen, Übernahmen und Kooperationen. Patienten müssen
sich darauf einstellen, dass ihnen schon bald deutlich
weniger Krankenkassen und Kliniken zur Verfügung stehen.
Die Hälfte der gesetzlichen Kassen hält derzeit Ausschau
nach einem Partner. Viele Krankenhäuser werden bis 2005
ihre Pforten schließen oder in private Hände übergehen.
Zu diesem Ergebnis kommt der „Branchenkompass
Gesundheitswesen“, eine aktuelle Studie von Mummert
Consulting und dem F.A.Z.-Institut.
Hinter dem Trend zu Fusionen und Kooperationen stecken
vor allem der immense Kostendruck und die
Gesundheitsreform. Beispiel Kostendruck: Um nötige
Einsparungen zu realisieren, wären zunächst massive
Investitionen in Informationstechnik (IT) und neue
Geschäftsfelder fällig. Doch die können sich vor allem
die gesetzlichen Kassen und die öffentlichen Kliniken
kaum leisten. Die unsichere Finanzlage ist das
Hauptproblem der gesamten Branche. Die Folge sind
Zusammenschlüsse, um das Kapital für notwendige
Investitionen gemeinsam aufzubringen.
Der Konzentrationstrend bringt Schwung in eine
Entwicklung, die schon im vergangenen Jahrzehnt begonnen
hat. So ging zum Beispiel die Zahl der Kliniken zwischen
1990 und 1999 bereits um 195 Häuser oder acht Prozent
zurück. Die Bettenkapazität verringerte sich um 17,6
Prozent auf 565.268. Damit sank die Zahl der Betten pro
10.000 Einwohner von 87 auf knapp 69, obwohl die
privaten Betreiber die Zahl ihrer Betten im selben
Zeitraum von 23.000 auf 37.800 erhöht haben. In
unmittelbarer Zukunft wird die Zahl der Kliniken nach
Ansicht von Mummert Consulting deutlich weiter sinken
und die Konzentration bei den Krankenkassen erst richtig
an Fahrt gewinnen. Diesen Trend können auch die Versuche
der Leistungsträger und Kliniken, ihre Finanzlage zu
kontrollieren und zu verbessern, nicht aufhalten.
Dennoch sollen Controlling, neue Produkte und mehr
Service helfen, Kosten zu senken und Kunden zu binden.
Bei den Fusionen und Kooperationen haben öffentliche und
private Krankenhäuser unterschiedliche Beweggründe. Die
privaten Anbieter sind aktiv auf Zukäufe aus. Für die
öffentlichen Häuser bieten sich Fusionen dagegen eher
als Rettungsanker an, um nicht komplett übernommen zu
werden. Ihnen fehlen die finanziellen Mittel sowohl für
eigene Übernahmen als auch um sich mit Investitionen
wettbewerbsfähiger zu machen. Im Unterschied zu
öffentlichen Häusern erzielen private Träger wie etwa
das Rhön-Klinikum durch besseres Management attraktive
Margen. Diese liegen vor Zinsen und Steuern bei bis zu
20 Prozent und stehen für Investitionen zur Verfügung.
Auf Grund ihrer auf Expansion ausgerichteten
Investitionspolitik wird der Marktanteil der
Privatkliniken rasant steigen. Sie planen bis 2005 gut
sechs Prozent ihres Investitionsbudgets für Fusionen und
Übernahmen ein. Die Krankenhäuser in öffentlicher
Trägerschaft halten dafür mit zwei Prozent nur einen
eher symbolischen Posten bereit. In der Folge dürfte der
Privatisierungsgrad bei Kliniken bis 2020 von derzeit
sieben auf 45 Prozent steigen, so die Prognose von
Mummert Consulting und dem F.A.Z.-Institut.
Neben den finanziellen Faktoren wirkt sich auch die
Gesundheitsreform maßgeblich auf den Fusions- und
Kooperationstrend aus. Hier sind vor allem die
Fallpauschalen entscheidend. Sie verpflichten die
Leistungsträger, von 2004 an stationäre Behandlungen
nach festen Sätzen zu vergüten. Nach dem alten Modell
orientiert sich die Erstattung an der Dauer des
Aufenthaltes. Verfügt eine Klinik über modern geführte,
größere und standardisiert arbeitende Einheiten, hat sie
pro Patienten niedrigere Kosten als ein Haus
herkömmlichen Standards. Sie erzielt somit bei
pauschaler Vergütung einen höheren Profit. Daher
beschleunigt die Neuregelung die Konzentration.
Versicherte müssen damit rechnen, dass Kliniken ganz
schließen oder zumindest weniger effiziente medizinische
Abteilungen zur Disposition stellen. Alternativ setzen
die Kliniken auf stärkere Kooperation mit benachbarten
Häusern. Trägergesellschaften, die mehrere Einrichtungen
in einer Region haben, denken darüber nach,
spezialisierte Bereiche nur noch an einem der Standorte
zu betreiben.
Der Konsolidierungs- und Modernisierungsdruck trifft
auch die Krankenkassen, allen voran die gesetzlichen.
Konkret erwägt knapp die Hälfte der gesetzlichen Träger,
sich innerhalb der nächsten drei Jahre mit einem Partner
zusammenzuschließen. Fraglich ist vor allem der Bestand
vieler kleinerer Betriebskrankenkassen. Von ihnen dürfte
in absehbarer Zeit nur noch jede zweite am Markt sein.
Für die Patienten stellt sich die Frage nach der
Qualität der Versorgung. So steigt etwa durch die
Fallpauschalen der Anreiz für die Krankenhäuser,
Patienten früher zu entlassen – ein Qualitätsverlust.
Langfristig werden die Patienten längere Wege zu
Krankenhäusern in Kauf nehmen müssen. Sie werden dann
jedoch in speziellen Zentren von hoch spezialisierten
Fachleuten versorgt. Nicht direkt merken werden die
Versicherten, wenn nicht-medizinische Bereiche wie Küche
oder Wäscherei zusammen gelegt oder an externe Anbieter
vergeben werden. Auch das ist in den Sparmaßnahmen
vorgesehen.