Crosswater Job Guide
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Esoterik statt Hartz: Wie Arbeitsamt und private Jobbörsen mit Feng-Shui den Konkurrenzkampf bestreiten.
Dem Virtuelle Arbeitsmarkt der Bundesanstalt für Arbeit treten die kommerziellen Jobbörsen mit dem Konzept "Wettbewerb im Netz" entgegen. Ob sich die BA davon beinflussen lässt, ist mehr als fraglich.

Esoterik statt Hartz:
Yin und Yang oder WiN und VAM

26. November 2003. Fast klingen die Publicity-Statements der kommerziellen Jobbörsen und der Bundesanstalt für Arbeit als kämen sie direkt aus dem Katalog einer Esoterik-Messe: Mit WiN und VAM kann das breite Publikum eher die fernöstliche Philosophie mit den natürlichen Gegensätzen von Yin und Yang als die unterschiedlichen Konzepte von WiN und VAM assoziieren.

Während der Projektstart des Virtuellen Arbeitsmarkts am 1. Dezember 2003 näher rückt, stecken die kommerziellen Jobbörsen und die Bundesanstalt für Arbeit im Argumentations-Stau. Skandale über die PR-Budgets von Florian Gerster drohen, die öffentliche Aufmerksamkeit vom wichtigen Reformschritt VAM abzulenken und das Finanzgebaren der BA in den Vordergrund zu stellen.

Von Yin und Yang zu WiN und VAM

Hinter der Abkürzungen VAM verbirgt sich die Umschreibungen für die neue Jobbörse des Arbeitsamts, den "Virtuellen Arbeitsmarkt", mit WiN umschreiben die privaten kommerziellen Jobbörsen das Konzept "Wettbewerb im Netz". 

VAM: Der neue Virtuelle Arbeitsmarkt. Die neue elektronische Plattform des Arbeitsamts soll die in die Jahre gekommenen Jobbörsen der BA ersetzen und mittels Profiling und Matching Verfahren zu einem umfassenden elektronischen Arbeitsmarkt ausbauen. Man stellt sich in Nürnberg hoffnungsvoll vor, dass dies Europas größte elektronische (Arbeitslosen)-Jobbörse wird.

Pünktlich zum 1. Dezember 2003 soll der Startschuß fallen - und nur für wenige Experten ist es deutlich, daß nach den Plänen von Jürgen Koch, Projektleiter der Nürnberger Behörde, erst im Mai 2004 die essentiellen Funktionen des Multi-Millonenprojekts verfügbar sein werden. Die BA geht bei ihrer Konzeption des VAM davon aus, dass alle Marktteilnehmer (Unternehmen, Personalvermittler, Zeitarbeitsfirmen und natürlich die zahlreichen kommerziellen Jobbörsen) ihre Stellenangebote an den BA-Computer des VAM weitergeben.

WiN: Die privatwirtschaftlichen Jobbörsen, angeführt vom Quartett der Marktführer Jobscout24, jobpilot, Monster und Stepstone, kontern nun den zentralwirtschaftlichen Ansatzpunkt der BA und propagieren mit WiN ("Wettbewerb im Netz") ein Konzept, welches die bisherigen Strukturen des Marktes intakt lässt und den langfristig beschrittenen Weg zur Privatisierung des Öffentlich-Rechtlichen Vermittlungsmonopols konsequent fortsetzt. Das WiN-Konzept sieht - im Gegensatz zu VAM - eigentlich den umgekehrten Weg vor: Nach den Vorstellungen des Jobbörsen-Quartetts soll sich die Nürnberger Behörde schwerpunktmässig um die Vermittlung der Arbeitslosen kümmern, keine eigenen kostenlosen Stellenanzeigen im VAM veröffentlichen und eher die Arbeitslosen je nach Qualifikation und Bedarf an die dafür geeignete (privatwirtschaftliche) Jobbörse verweisen.

Die Bundesbehörde beruft sich auf den gesetzlichen Auftrag zur Vermittlung von Arbeitslosen und verinnerlicht die Argumentationskette aus den vielfach zitierten Hartz-Konzepten. Gerne und häufig rechnet sie vor, dass eine Beschleunigung der Vermittlung von Arbeitslosen in eine Erwerbstätigkeit um nur wenige Tage schon Milliarden-Beträge einsparen könnte - die dafür notwendigen offenen Stellen werden tunlichst nicht als grundlegende Voraussetzung erwähnt. Die Notwendigkeit, durch Wirtschafts- und Strukturreformen auch zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen, wird dann schon eher von den Arbeitsmarktexperten und Wissenschaftlern des IAB (Institut für Arbeits- und Berufsforschung), dem BA-eigenen "Think-Tank", in Erinnerung gerufen.

Mit einer grossen Portion Gelassenheit setzen sich die Führungskräfte der BA über die Kernargumente der privatwirtschaftlichen Jobbörsen hinweg.

Florian Gerster (BA) im Intrerview

Wirtschaftswoche: Die kommerziellen Zeitarbeitsfirmen beschweren sich, dass sie durch die Personal-Vervice-Agenturen aus dem Markt gedrängt werden. Die gleiche Klage erheben die Internetjobbörsen, die mit Ihrem virtuellen Arbeitsmartk konkurrieren. Gerster: "Ich bin ziemlich sicher, dass diese Debatte entschärft wird, wenn sich der Arbeitsmarkt belebt und die kommerzielle Zeitarbeit und das Geschäft wieder zulegen".
Quelle: Wirtschaftswoche Nr. 40, 25.9.2003
Personalwirtschaft: Was sagen Sie zu dem Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung? Alt: "In der Tat sind die Leistungen für die Unternehmen bei uns gebührenfrei. Aber das ist keine Verzerrung des Wettbewerbs. Bisher sind alle mit der Diesel-Lok gefahren. Jetzt steigt die BA auf die E-Lok um und die Jobbörsen klagen plötzlich über einen verzerrten Wettbewerb. Dabei ist das doch nur ein Schritt zur Anpassung der Technik, der mit den Beiträgen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer finanziert wird. Das ist schließlich gesetzlich so gewollt".
Quelle: Personalwirtschaft Nr. 10/2003

Heinricht Alt (BA) im Intrerview

Jürgen Koch (BA) Foto: ZDF

Jürgen Koch, Projektleiter VAM bei der BA:
"Natürlich machen alle Jobbörsen mit, nur nicht schon am 1. Dezember" [1]
"Alternativkonzept der Jobbörsen ist ein Witz" [2]

Quellen:
[1] Spiegel-Online: Zoff um Online-Jobbörsen: Die Job-Piraten vom Arbeitsamt.
Artikel von Bärbel Schwertfeger.

[2]
High-Text-Verlag iBusiness

Holländische Entwicklungshilfe für Nachbar Deutschland

Und auch Projektleiter Jürgen Koch wollte die beteiligte Öffentlichkeit vor vollendete Tatsachen stellen und demonstrierte mit der Demo-Version des VAM auf der CeBIT 2003 in Hannover schon Zukunftsvisionen und den Einbezug der privaten Jobbörsen mit ihren Firmen-Logos auf den Bildschirmen der Arbeitsamt-Jobbörse. Die Vorführversion wurde im Rahmen der öffentlichen Ausschreibung zum VAM vom Anbieterkonsortium der Accente-Berater und den holländischen ELISE-Software-Entwicklern quasi "auf die Schnelle" zusammengeschraubt. Dazu kommentiert Peter Went, Chef des mittelständischen holländischen WCC Software- und Consulting-Unternehmen im Originalton: "We are delighted to work with Accenture on such an important project for the German people", said Peter Went, founder and CEO of WCC. "We were impressed by the knowledge and dedication of Accenture. In two weeks time they were able to present a prototype based on ELISE which covered all major functionality requested by the Bundesanstalt..." Dass die düpierten Jobbörsen von dem taktischen CEBIT-Messe-Trick vorher nicht informiert waren, ließ natürlich die Wellen der Gegensätzlichkeiten hoch schlagen.

Hartz-Hype sichert Renovierungs-Budget

Dabei hat die BA ihren Handlungsbedarf bei den mittlerweile in die Jahre gekommen Jobbörse geschickt kaschiert und im Rahmen der Hartz-Hype als eines der 13 Innovationsmodule so dargestellt:

Das Projekt "Der Virtulle Arbeitsmarkt" zielt auf einen umfassenden Online-Service für alle am Arbeitsmarktgeschehen beteiligten Kundengruppen ab. Arbeitgeber verfügen über einen kompletten Workflow in der Personalgewinnung via Internet. Zusätzlich vereinfacht eine Job-Clearing-Datenbank arbeitssuchenden Menschen den Einstieg in die Online-Jobbörsen. Stellen aus über 300 Job-Börsen werden unter der Adresse www.arbeitsamt.de abrufbar. Mit ihrem Projekt "Der Virtuelle Arbeitsmarkt" hat die BA den eGovernment-Wettbewerb 2001 in der Kategorie Verwaltung - Bürger (B2C) gewonnen. (Quelle: Moderne Dienstleisten am Markt. Vorschläge der Kommission zum Abbau der Arbeitsdlosigkeit und zur Umstrukturierung der Bundesanstalt für Arbeit. 16. August 2002).

Dieser Argumentation folgte der Ruf nach Projektfinanzierung in Millionenhöhe, angesichts der suggerierten Beschleunigungseffekte bei der Arbeitsvermittlung und der damit einhergehenen Kostenersparnis wurde natürlich jeder haushaltspolitische Widerstand gebrochen. Florian Gerster stellt es im Interview mit der Wirtschaftswoche vom 25.9.2003 so dar: "Wir haben uns für dieses Jahr das Ziel gesetzt, die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit von 33 Wochen auf 32 Wochen zu verkürzen. Die BA könnte etwa eine Milliarde Euro sparen. Nach erfolgreichem Umbau kann eine optimierte BA die Arbeitslosenquote um einen Prozentpunkt drücken, das sind ungefähr 400.000 Arbeitslose weniger. Alles andere muss durch Wirtschaftswachstum und Beschäftigungspolitik kommen."

Bisher hatte die BA kurzfristig für fast jede neue Vermittlungsinitiative des Gesetzgebers eine neue Jobbörse gebastelt, die mit den vielen bereits bestehenden Jobbörsen der BA kaum integriert waren.

Alles unter einem Dach:
das Online-Jobbörsen-Sortiment
der Bundesanstalt für Arbeit

Arbeitgeber-Informations-Service Ausbildungs-Stellen-Informationsservice Vermittlungsbörse für Firmennachfolger, Kooperationen und Existenzgründer Bewerberbörse für Ingenierinnen und Ingenieure

Vermittlungsbörse für IT-Fachkräfte Green Card JOB-Vermittlungsbörse Nebenbeschäftigungen Künstlerdienste Managementvermittlung

Praktikumsbörse Stellen-Informations-Service Zentrale Bühnen-, Fernseh- und Filmvermittlung Zentrale u. Internationale Management- u. Fachvermittlung für Gaststättenpersonal

 

Platz TOP-20 Berufe
Internet-Jobbörsen
TOP-20 Berufe
SIS Arbeitsamt
1. Gastronom Köche
2. Naturwissenschaftler Handelsvertreter, Reisende
3. Buchhalter Verkäufer
4. Finanzberater Kellner, Stewards
5. Sekretär Bürofachkräfte
6. Arzt Kraftfahrzeugführer
7. Konstrukteur Krankenschwestern, Hebammen
8. Controller Elektroinstallateure, -monteure
9. Geschäftsführer Ingenieure Maschinen- Fahrzeugbau
10. Koch Sozialarbeiter, Sozialpfleger
11. Ingenieur Elektrotechnik Groß- und Einzelhandelskaufleute, Einkäufer
12. Pharmazeut Masseure, Krankengymnasten
13. Ingenieur Maschinenbau Lebens-, Sachversicherungsfachleute
14. Mechaniker Friseure
15. Vertriebsleiter Ärzte
16. Ingenieur Wirtschaft Raum-, Hausratreiniger
17. Ingenieur Physik Rohrinstallateure
18. Verkaufsleiter Verbraucherberater
19. Ingenieur Engineering Werbefachleute
20. Betriebswirt Elektrotechnik KfZ-Instandsetzer

Quelle: http://www.jobworld.de/artikel/charts/top20AA.html

Mit Ausnahme des SIS - mit etwa 308.000 Stellenangeboten (Stand 19.11.2003) der Quasi-Monopolist im Markt der Jobbörsen - fristen die anderen berufsspezifischen Arbeitsamt-Jobbörsen für qualifizierte Fach- und Führungskräfte eher ein Schattendasein. Die Jobbörse für Management-Vermittlung bietet gerate einmal 96 Stellenangebote, die Fachbörse für Gastronomie- und Hotelpersonal kommt auf nur 8 Stellenangebote bundesweit und die IT-Fachkräfte-Börse - einst stark umworbener Berufszweig zu Zeiten der Green-Card-Initiative - bietet gerade einmal 53 Stellenangebote zur Auswahl. Die Arbeitsamt-Fachbörse für Ingenieure zog gleich von Anfang an die Konsequenzen: Stellenangebote werden nicht veröffentlicht - nur Stellengesuche sind hier zu finden.

Eingefangen in eine viel zu detaillierten und unhandliche Schlüsselsystematik des Berufskennzeichens wurden die Suchmöglichkeiten SIS dem wichtigsten Stellen- und Informations-Service zum Albtraum der Arbeitslosen. Dann traten privatwirtschaftliche Unternehmen auf den Plan und führten der Öffentlichkeit (natürlich mit dem offiziellen Kooperationssegen der BA) vor, wie effiziente Stellensuche im Datenbestand der BA gestaltet werden kann.

Die allesklar.com AG entwickelt und betreibt das größte deutsche Städteportal www.meinestadt.de mit nützlichen lokalen Informationen und Marktplätzen für jede der 13.000 Städte und Gemeinden. Gleichzeitig unterhält das Unternehmen den umfangreichsten deutschen Webkatalog www.allesklar.de als Instrument der deutschlandweiten Websuche. meinestadt.de ist Deutschlands größtes Städteportal mit Informationen zu allen 13.490 Städten und Gemeinden und enthält - gegliedert nach diesen Städten und Gemeinden - Stellenangebote der BA, und Lehrstellen.

Aus dem Hause Internext stammt das Portal Jobworld (Jobturbo). Durch regelmässige Analysen des Datenbestands der BA werden zusätzliche Informationen bereitgestellt: Welche Jobs stehen auf dem Arbeitsmarkt hoch im Kurs? Bei welchen fällt der Job-Index in den Keller? Haben Sie einen Beruf mit Zukunft oder lohnt es sich umzusatteln? Jobturbo durchsucht jede Woche rund 25 deutsche Online-Stellenmärkte und zeigt anhand eines Charts, welche Berufe gefragt sind.

Seit Mai 2003 kooperiert die Online-Community opusforum mit der Bundesanstalt für Arbeit. Tagesaktuell übernimmt opusforum aus dem Stellen-Informations-Service (SIS) der Bundesanstalt offene Arbeitsstellen in seine regionalen Stellenbörsen. Zusammen mit eigenen Stellenanzeigen ermöglicht opusforum somit den direkten Blick auf über 200.000 offene Stellen in Deutschland. „Diesen schnellen Zugriff auf die SIS-Daten bietet fast keine andere deutsche Stellenbörse“, sagt Klaus Gapp, Gründer und Betreiber von opusforum. Mit nur einem Klick bekommt der Nutzer dabei eine erste Auswahl von Anzeigen seiner gewählten Rubrik. Mittels einfacher Volltextsuche kann er dann das Angebot gezielt eingrenzen.

In Kooperation mit der Bundesanstalt für Arbeit (BA) veröffentlicht Rekruter.de die tagesaktuellen Stellenangebote aus dem Stellen-Informations-System (SIS). Rekruter.de betreibt den Stellenmarkt von Bild.T-Online.de.

Von Mäusen und Menschen

Von der Zentrale in die Provinz: Die Stimmungslage.

Florian Gerster über den inneren Zustand der BA-Mitarbeiter: "Der Umbau wird sichtbar, braucht aber auch seine Zeit", betont Vorstandsvorsitzender Florian Gerster. Die Diskussionen um die Reformen am Arbeitsmarkt haben bei den rund 90 000 Mitarbeitern der Bundesanstalt tiefe Spuren hinterlassen. "Die alte Bundesanstalt ist überfordert, fremdbestimmt und missbraucht", beschreibt BA-Chef Gerster die Entfremdung vieler Mitarbeiter.
Quelle: Stern-Online

Sozialdezernent Hans-Jürgen Hielscher (FDP) bemängelt, dass durch die Regierungs-Bestandsgarantie an die BA für die Vermittlung von Arbeitslosen das "Aus" für das Job-Offensiv-Centers der Selbsthilfe im Taunus (SiT) vorprogrammiert sei. Unter dem Dach des Job-Offensiv-Center des Main-Taunus-Kreises kümmert sich das Sozialamt und das Arbeitsamt gemeinsam erfolgreich um die Vermittlung von Sozialhilfeempfängern . Seit seiner Eröffnung am 1. Juli dieses Jahres wurden dort 318 Personen betreut, davon haben 53 inzwischen wieder eine Arbeitsstelle angetreten. Weiterhin wurde 48 Menschen ein Praktikum vermittelt, um wieder Anschluß an den Arbeitsmarkt zu finden. 19 Personen haben eine Qualifizierung angetreten, weitere 19 Personen sind in Projekten der gemeinnützigen Arbeit tätig. Das Job-Offensiv-Center arbeitet dabei mit der Selbsthilfe im Taunus zusammen, die als Beschäftigungsträger den direkten Kontakt zu potentiellen Arbeitgebern herstellt und Arbeitsplätze akquiriert. Die Erfolge seien eindeutig in der Flexibilität der SiT begründet, lobt Hielscher. Die gemeinsame Zusammenarbeit mit den ebenso hochmotivierten Mitarbeitern aus Sozial- und Arbeitsamt markierten den einzig erfolgversprechenden Weg für die Zukunft: "Von solchen Vermittlungszahlen träumt das Arbeitsamt nur". 
Quelle: FAZ 20. November 2003

Im Rückenwind der Hartz-Euphorie und angesichts leerer Haushaltskassen aller Orten investiert die Bundesanstalt für Arbeit kräftig: 57 Millionen Euro soll das VAM-Projekt kosten.

Bereits im November 2001 wurde die Anzahl der eingesetzten Vermittler mit 1000 internen und 1000 zusätzlichen Mitarbeitern von außen erhöht, der laufende Bundeshaushalt deckt mit zusätzlichen 760 Millionen Euro weitere 12.000 Vollzeitstellen in 2002 und 2003 ab. Damit kommt die BA im Vermittlungs-Kampf gegen die Arbeitslosigkeit mit 12.000 aktiven Vermittlern von insgesamt 90.000 Beschäftigten auf ganze 13.3% Frontkämpfer, der Rest sitzt in der "Verwaltungs-Etappe".

Daß es Gerster nicht nur bei den millionenschweren Entwicklungskosten für den VAM bewenden läßt, machen die Zusatzkosten deutlich: Im Finanzhaushalt für 2003 sind 20 Millionen Euro für Öffentlichkeitsarbeit, vornehmlich für die Propagierung des VAM, vorgesehen. Hinzu kommt ein gesonderter PR-Reptilienfonds, der nur aus einer Vorstands-Budget-Position bezahlt wird. Dieser ist mit 35 Millionen Euro dotiert.

Schon am 4. Juli berichtete Crosswater Job Guide im Artikel "Die Deutsche Job ArGe wird vernetzt" über die Vernetzung der PR-Lobby mit der BA: "Mit der Unterstützung beim Werbetrommeln auf den regionalen Jobmessen haben die Nürnberger die in Wiesbaden domizilierte PR-Agentur ''Fink & Fuchs" schon beauftragt. Auch BA-Projektleiter Jürgen Koch vertraut auf die Erfahrungen des Medien-Experten Professor Dr. Wolfgang Jäger, der schon bei der Konzeption der Unternehmensjobbörse JobStairs mitgewirkt hat: er wurde als persönlicher "Coach" unter Vertrag genommen. Bei der politischen Lobby-Arbeit wird der Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit von Bernd Schiphorst (ehemaliger Multimedia-Vorstand bei Bertelsmann) und der Agentur WMP EuroCom in Berlin beraten. In der Berliner Agentur, die sich auf Politik-, Wirtschafts- und Medienberatung spezialisiert, sitzen mit Günter Rexrodt, Roland Berger, Karl Otto Pöhl und Hans-Dietrich Genscher einflussreiche Persönlichkeiten in den Unternemensgremien."

Jetzt ist auch die Höhe des PR-Vertrags mit WMP EuroCom in die Öffentlichkeit gelangt: Hauptzahlungsempfänger ist der ex-Bertelsmann-Manager Schiphorst, dem in einem Beratervertrag für "PR-Neukonzeption" eine Vergütung von Euro 820.000 zugestanden wird. Nach der ersten Sensationsmeldung der "Bild am Sonntag" am 23.11.2003 kristallisierte sich allerdings heraus, dass es sich um ein PR-Rahmenvertrag mit WMP EuroCom handelt, der über zwei Jahre mit 1.3 Millionen Euro dotiert ist.

Die Tagesschau meldete dazu: "In der jüngsten Sitzung des Wirtschaftsausschusses des Bundestages hatte Gerster auf Fragen von Abgeordneten Auskünfte über den Beratervertrag verweigert. Zur Begründung sagte er, der Berater werde nicht aus Steuermitteln bezahlt, sondern aus Beiträgen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber zur Arbeitslosenversicherung". Auch in einem anderen hochpolitischen Grossprojekt der Regierung zum Aufbau eine LKW-Mautsystems versuchten die Beteiligten, Einblick in das Vertragswerk des Bundesverkehrsministeriums und den Auftragnehmern zu verwehren. Kommt nun nach "Toll Collect" ein "Job Collect"?

Gegenüber dem Jahr 2003 ist geplant, die Verwaltungsausgaben um 330 Millionen auf 4,85 Milliarden zu steigern. 5,2 Milliarden Euro Fehlbedarf im Gesamtetats für 2004 muss die Bundesregierung  - und dies angesichts eines historisch hohen Staatsdefizits und bereits dreifach wiederholten Verstössen der Bundesregierung gegen den EU-Stabilitätspakt - ausgleichen.

Trotz allen Steigerungen im Haushalt der BA behauptet Florian Gerster im Interview mit der FAZ vom 23.11.2003: "wir können schon nach einem Jahr nachweisen, daß wir mit weniger Aufwand bessere Leistung erbringen.

Mit Blick auf Berlin sieht Florian Gerster diese auf Pump finanzierten Ausgaben gelassen: "Es gibt eine Defizithaftung des Bundes - da kann Herr Eichel gar nichts deckeln". (Quelle: Wirtschaftswoche).

BA-Chef Florian Gerster ordnet die öffentliche Diskussion um das PR-Budget der BA mittlerweile als eine "gezielte Medienkampagne" ein. Zeitgleich mit der BA-Budget-Affäre muss sich Bundesfinanzminister Hans Eichel vor der EU-Kommission in Brüssel über seine Rekordverschuldung im Rahmen des Euro-Stabilitätspakts rechtfertigen - und auch der Bundesrechnungshof tritt zeitgleich mit seinem neuesten Bericht über die Verschwendungssucht der öffentlichen Haushalte an die Öffentlichkeit. ("Ohne Verschwendung wäre die Defizitquote zu halten". Handelsblatt vom 26. November 2003). Wer auch immer die angebliche Medienkampagne steuert, mit dem Timing dieser Meinungsmache hätte er sein Meisterstück abgeliefert.

Die jüngste öffentliche Diskussion um die PR-Ausgaben der BA machen allerdings auch deutlich, dass die "Kriegskassen" für Publicity-Massnahmen zwischen der Behörde und den privatwirtschaftlichen Jobbörsen unterschiedlich ausgestattet sind.

Macht und Ohnmacht der BA-Aufseher

Ursula Engelen-Kefer Foto: ZDF

Im Jahre 2003 verfügt die BA über 20 Millionen Euro Budgets für Öffentlichtsarbeit, für 2004 wird dieser Betrag noch erhöht: "Insgesamt hat die Bundesanstalt für Arbeit nach eigenen Angaben im kommenden Jahr 42 Millionen Euro für Marketing-Maßnahmen, Informationskampagnen, Publikationen und Online-Dienste budgetiert. Von diesem Betrag seien 25 Millionen Euro für Marketing-Aktivitäten vorgesehen, die noch vom Verwaltungsrat nach Vorlage eines umfassenden Konzeptes freigegeben werden." (FAZ.net vom 24. November 2003). Zum Vergleich: Die Entwicklungskosten des VAM sind mit 57 Millionen Euro budgetiert. BA-Chef Florian Gerster praktiziert pragmatische Transparenz und verweigert dem zuständigen Bundestagsausschuss als auch dem eigenen Verwaltungsrat Einblick in die Verträge mit PR-Agenturen. Ursula Engelen-Kefer kann ihrer Kontrollaufgabe in den Aufsichtsgremiem nicht nachkommen und resigniert. Im Interview mit NDR Info hört sich das so an:

"NDR Info: Wozu braucht die Bundesanstalt für Arbeit ein Marketingkonzept, wenn ihr größter Erfolg die Erfüllung ihrer Aufgabe, nämlich das Bekämpfen der Arbeitslosigkeit wäre?

Engelen-Kefer: Wir wissen, dass ohne Marketing sehr schwierig zu arbeiten ist - und gerade bei einem solch enormen Umbruch, den die Bundesanstalt vor sich hat, deshalb tragen wir dies ja auch als Gewerkschaften mit. Aber auf der anderen Seite ist die Bundesanstalt schon recht üppig ausgestattet mit Mitteln für Unternehmensberatungen, die ja gerade diese Veränderungen mitgestalten sollen. Und deshalb hatten wir Probleme damit, dass noch zusätzlich ein derartig großzügig bemessener Etat für Öffentlichkeitsarbeit verabschiedet werden sollte. Deshalb haben wir uns ja auch nicht daran beteiligt. Das war auch einer der Gründe, weshalb wir am Ende auch den gesamten Haushalt nicht mittragen konnten, weil wir die Verantwortung dafür nicht übernehmen können. Wir können es nicht nachvollziehen, dass auf der einen Seite die Maßnahmen gerade zur Bekämpfung der immer weiter steigenden Langzeitarbeitslosigkeit reduziert werden und auf der anderen Seite gerade die Marketingmaßnahmen so üppig und zusätzlich ausgestattet werden.
NDR Info: Florian Gerster ist nun in gewisser Weise bekannt für seine Großzügigkeit. Er hat schon die Vorstandsetage für 1,8 Millionen Euro sanieren lassen. Er soll die Dienstwagennutzung sehr intensiv betreiben. Er kommt auch nicht gern ins Parlament, um sich dort zu erklären. Passt diese etwas feudale Art Ihrer Ansicht nach zu der Behörde, die er leitet?
Engelen-Kefer: Genaue Insider-Kenntnis haben wir auch nicht, weil wir, wie gesagt, auch nicht die letzten Feinheiten der Ausgabengebarung des Herrn Gerster beurteilen können. Und ansonsten müssten Sie besser Herrn Gerster selber fragen, was er sonst an seinen eigenen Ausgaben tut. Und dann muss man sehen, wie man das bewertet.
NDR Info: Fehlt ein bisschen an Transparenz in der Behörde?
Engelen-Kefer: In diesem Punkt offensichtlich. Wir hatten uns darum bemüht, gerade den Kommunikationsetat etwas näher kennenzulernen und wir hatten auch ein Konzept vorgestellt bekommen von Herrn Schiphorst. Nun ist das nicht nur die Gewerkschaftsmeinung gewesen, dass das, was dort vorgetragen wurde, nicht überzeugend war. Und deshalb ist auch von allen gemeinsam der Sperrvermerk verfügt worden. Aber wir sind natürlich nur sehr begrenzt handlungsfähig. Denn die Verträge mit Herrn Gerster, da hat die Selbstverwaltung überhaupt keinen Einblick. Und das zweite, die Verträge zwischen Herrn Gerster und Herrn Schiphorst, die kennt die Selbstverwaltung genauso wenig.
(Quelle: NDR Info vom 24.11-2003)

Der rote Teppich für die  ersten VAM-Teilnehmer

Entscheidend für den Erfolg des Virtuellen Arbeitsmarkts, so das Konzept der BA, ist die möglichst umfassende Teilnahme aller Marktteilnehmer. Zwar intensiviert die BA seit dem Frühjahr die Kontakte zu Arbeitgebern und setzt 25 spezielle Mitarbeiter für diese Aufgabe und VAM-Promotion ein, doch kurz vor Betriebsbeginn kann die BA gerade einmal vier teilnehmende Unternehmen vermelden. Die Hanauer Jobbörse Jobs.de hat schon frühzeitig eine Kooperation mit der Nürnberger Behörde signalisiert, und die von 28 Konzernen  finanzierte und ins Leben gerufene Jobstairs versteht sich eher als Gegengewicht zu den kommerziellen Jobbörsen und avisierte ebenfalls eine Zusammenarbeit mit der BA an. Aus der Zeitarbeitsbranche haben die Manpower GmbH Zustimmung signalisiert und die DEGUSSA will auch beim VAM mit im Boot sein.

Bei näherem Hinsehen wird klar, dass nur die Stellenangebote von Jobs.de eine quantitative Bereicherung der VAM-Datenbank sind. Bei Jobstairs beziehen sich mit 1213 weniger als die Hälfte der angebotenen Stellen auf Vollzeitstellen für berufserfahrene Bewerber, die Mehrzahl der Stellenangebote sind Praktikumsjobs, Diplomarbeiten-Gelegenheiten, Ausbildungs- oder Lehrstellen. Mit dem Datentransfer zu den Rechnern des VAM wird damit ein Platzierungs-Overkill eingeleitet, denn diese Stellenangebote sind dann beim Arbeitgeber, bei JobStairs und letztlich beim VAM dreifach publiziert. Die Personalchefs der Großkonzerne können sich dann über zu geringe Initiativ-Bewerber nicht beklagen, haben Stellensuchende doch dann gleich drei Kanäle, um Online-Bewerbungen auf den Weg ins elektronische Postfach der Personalchefs zu bringen.

Manpower trägt 250 überwiegend Zeitarbeits-Angebote bei, und von Degussa kommen 10 (in Worten: zehn) Stellenangebote. Offensichtlich war speziell die Anzahl der Stellenangebote von Degussa eine ausreichend signifikante Grösse, dass die unter Erfolgsdruck für positive Meldungen stehende Presseabteilung der BA diesen VAM-Marktteilnehmer ausdrücklich in einer Pressemeldung hervor hob.

Allerdings könnten sie auch für die Datenbank-Spezialisten des VAM noch nützlich werden: Da diese Stellenangebote auch doppelt bei JobStairs angeboten werden, können die Programmierer des VAM diese Angebote gleich zum Testen benutzen, um etwaige Duplikate von Stellenangeboten in den Datenbanken des VAM zu identifizieren und aus den Statistiken entfernen. Noch sind die Skandale um die gefälschten Arbeitsvermittlungsstatistiken aus der Ära des Bernd Jagoda nicht ganz vergessen.

Konzept des Jobbörsen-Quartetts

Zusammenfassend stufen die vier grossen Jobbörsen die Pläne der BA für den Virtuellen Arbeitsmarkt als eine "Rückkehr zum staatlichen Vermittlungsmonopol" ein.

Ihr WiN-Konzept dagegen fundiert auf den Bausteinen der privatwirtschatlich orientierten Markt- und Wettbewerbs. Das WiN-Konzept sei mit erheblich geringeren Investitions- und gesamtwirtschaftlichen Allgemeinkosten verbunden, argumentieren die Jobbörsen. Es basiert auf dem Netzwerkgedanken: die Stärken aller im Internet tätigen Akteure auf dem Arbeitsmarkt werden genutzt und gefördert – zum Wohle aller. Die Umsetzung ist einfach und könnte in mehreren Schritten erfolgen.

Das WiN-Konzept:
 
     Empfehlungen für Stellensuchende
Die BA sollte Stellensuchende auf geeignete Stellenmärkte lenken. Dabei werden die individuelle berufliche Ausbildung und Erfahrung sowie die persönlichen Bedürfnisse des Suchenden berücksichtigt. In der Regel sollte der Bewerber vom Arbeitsamt eine Auswahl der für ihn relevanten Stellenmärkte erhalten, bei denen er seine Bewerbung selbst einstellen kann.
Die Online Stellenmärkte bieten dem Bewerber neben Stellenanzeigen unterschiedlichste Dienstleistungen an, die ihn zusätzlich bei seiner Stellensuche unterstützen. Der Bewerber wird dazu motiviert, seinen Lebenslauf zu veröffentlichen.
 
    Empfehlungen für Unternehmen
Nach demselben Prinzip kann von der BA ein System aufgebaut werden, nach dem Unternehmen, die Stellen ausschreiben wollen, an die geeigneten und erfolgversprechendsten Online-Stellenmärkte weiter geleitet werden.
 
    Die BA als zentrale Verteilerstelle
Als zentrale Verteilerstelle sollte die BA alle Marktteilnehmer der Online Stellenmärkte  erfassen und einen Mindest-Qualitätsstandard vorgeben. An Verteilkriterien werden die Schwerpunkte und Stärken der einzelnen Stellenmärkte erhoben und regelmäßig aktualisiert. Von Bedeutung sind z.B. Unterscheidungen nach Branchen, Berufsgruppen und Regionen (Schwerpunkte wie Tourismus, Gastronomie, Ingenieure, Städte und Landkreise etc). Die Vermittler in den Arbeitsämtern hätten einen besonderen Zugriff auf alle teilnehmenden Anbieter und könnten passende Stellenanzeigen für die Bewerber finden und weiterleiten. Dies gilt vor allem für solche Bewerber, die nicht in der Lage sind, selbstständig bei den Anbietern zu navigieren.

    Vielfalt des Angebots auch für gewerbliche Arbeitskräfte
Die Liberalisierung des Arbeitsmarktes hat sich gerade im Bereich der Fach- und Führungskräfte, in dem die BA bisher nicht signifikant tätig war, vorteilhaft ausgewirkt. Mit der Entwicklung des Internets ist ein effizienter Markt entstanden, der kompetitiv, hoch dynamisch und innovativ ist.
Dank der günstigen Kostenstruktur im Internet sowie der Akquisitionsleistungen von  kommerziellen Stellenmärkten und nicht kommerziellen Initiativen haben sich online mehr und vielfältigere Angebote herausgebildet, als dies in den traditionellen Printmedien je der Fall war. Nahezu für jedes Segment existieren heute Nischenmärkte – nur für die gewerblichen Berufe nicht. Hier hat die BA durch die Veröffentlichung kostenloser Stellenangebote den Markt dramatisch verzerrt und behindert.
 

    Subsidiaritätsprinzipbbeachten: Keine behördlichen kostenlosen Stellenanzeigen
Ein starker und differenzierter Markt mit kundennahen Leistungen und marktgerechten Preisen ist der beste Garant für eine hochwertige und schnelle Vermittlung. Es ist nicht Bestimmung und gesellschaftlicher Auftrag der BA, Größe und Stärke zu zeigen, sondern als Verteiler und Beschleuniger erfolgreich zu sein. Das Subsidiaritätsprinzip – der Staat greift nur dann ein, wenn private Initiative nicht funktioniert – darf nicht aufgegeben werden; es muss gestärkt werden.
Das Anbieten "kostenloser Leistungen", wie etwa von Stellenanzeigen, ist keine relevante Aufgabe. Die BA sollte deshalb die Schaltung kostenloser Anzeigen auf ihrer Plattform unterlassen,  da das andernfalls ausgelöste Preisdumping nicht im Einklang mit den geltenden Regeln des Wettbewerbsrechts stünde. Für nicht angemessen oder ausreichend vertretene Berufsgruppen, wie z.B. im gewerblichen Bereich, sollte die BA übergangsweise die Schaltung bei privaten Anbietern finanziell fördern. Sie würde so die Entstehung kommerzieller Angebote auch in diesen Marktsegmenten beschleunigen.

    Günstiger Aufbau und Betrieb
Die Einrichtung und selbst die dauerhafte Pflege einer solchen Verteiler-Plattform ist vergleichsweise einfach und günstig. Dazu müssten nicht zwingend Beamte eingesetzt werden. Die gesamte Aufgabe könnte auch von einem privaten Dienstleister bewältigt werden. Dann würden bei der BA erhebliche Kapazitäten für Unterstützungs- und Beratungsmaßnahmen frei.
 

Die vier Jobbörsen fassen die Vorteile des WiN-Konzepts zusammen:

  1. Das Netzwerk-System ist schnell und günstig zu realisieren und zu betreiben. Jede teilnehmende Online-Stellbürse wird ihr Angebot kontinuierlich verbessern, um im Wettbewerb zu bestehen. Damit trägt die Privatwirtschaft die Kosten für den Ausbau der Infrastruktur, und nicht der Steuerzahler.

  2. Es erhöht das Stellenangebot quantitativ und qualitativ. Damit steigt die Vermittlungswahrscheinlichkeit.

  3. Das WiN-Konzept stärkt den Markt und die privaten Anbieter.

  4. Es fürdert die Eigenverantwortung der Stellensuchenden und beugt Missbrauch vor (Keine vorgetäuschten Bewerbungen zur Vermeidung von Leistungskürzungen).

  5. Das WiN-Konzept schafft eine win-win-Situation. Die privaten Stellenmärkte arbeiten mit der BA Hand in Hand und unterstützen ihre Anstrengungen statt ihr als Konkurrenten gegenüber zu stehen.

Tabelle: Preisübersicht ausgewählter Jobbörsen, Preis pro Standard-Stellenanzeige mit einer Laufzeit von 4 Wochen bzw. 1 Monat ohne Sonderkonditionen oder Rabatte. (Stand November 2003)

Jobbörse Preis (Euro)
Süddeutsche Zeitung Jobcenter 800
jobpilot 750
Jobware 695
StepStone 625
Stellenanzeigen.de 580
Jobscout24 540
Jobs.de 480
Monster 450
Ingenieurkarriere 400

Feng Shui: Ein Leben in Gegensätzen

Wie erwartet, stellen die grossen Jobbörsen die privatwirtschaftliche Variante einer Lösung in den Vordergrund. Trotz überzeugender Argumentation ist das Konzept noch nicht konkret verfügbar und eine Umsetzung kann nicht durchgesetzt werden, weil es der konstruktiven Mitarbeit der Bundesanstalt für Arbeit - und deren Zustimmung - bedarf. Die kann mit einem (hoffentlich) reibungslosen Start der neuen Jobbörse zunächst Fakten am Markt schaffen.

Nachteilig für die Jobbörsen zur Umsetzung dieses Konzepts ist nicht nur die generell schwierige Lage am Arbeitsmarkt und die damit einhergehende Flaute bei den Umsätzen und der geringen Investitionsbereitschaft. Auch das Timing - quasi zwei Wochen vor dem Startschuss des Virtuellen Arbeitsmarktes - wirkt sich für die Jobbörsen nicht gerade förderlich aus wenn man von der BA erwartet, dass sie in der heißen Phase der VAM-Implementierung  Nachdenken und Handlungsbereitschaft demonstrieren würde.

Ein anderer Faktor spielt jedoch eher den Jobbörsen in die Hände: Die von der BA konzipierte automatische Übermittlung der Stellenangebotsdaten soll nach dem von der Nürnberger Behörde und ihren Kronberger Accente-Beratern konzipiertem BA-HR-XML-Datenstandard erfolgen. Eine Anpassung der proprietären Unternehmens-Stellendatenbanken auf die neuen Schnittstellenformate würde bei vielen Firmen Programmieraufwand erfordern und Zeit und Geld Kosten - beides eher Mangelware. Da konzentrieren sich Unternehmen eher auf Kosten- und Personaleinsparungen oder gar Outsourcing von Arbeitsplätzen über die Landesgrenzen hinweg.

Die BA im Zick-Zack-Kurs

Es scheint, als wäre der Zick-Zack-Kurs der BA in vielen grundlegenden Fragen die bevorzugte klare Planungslinie - gekennzeichnet von fehlender interner Abstimmung, kurzfristig motivierten Entscheidungen und IT-Konzepten, die nicht den vorhandenen Markt- und Vermittlungsstrukturen entsprechen.

     Schon im Jahre 2000 wurden die ersten organisatorischen Reformvorhaben  nach starren Umsetzungskonzepten und ohne wissenschaftliche Begleitung durch Arbeitsmarktexperten angegangen. Das BA-eigene Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) kam im Werkstattbericht (Ausgabe Nr. 15 vom 21. Oktober 2002), zur Schlußfolgerung, daß die Bundesanstalt tief in einer Vertrauenskrise steckt. Das ins Leben gerufene "Organisationskonzept AA 2000", quasi ein Vorläufer zum Virtuellen Arbeitsmarkt, sollte diese Vertrauenskrise beheben. Als dann nach Ablauf der Pilotphase Unzulänglichkeiten in den neu geschaffenen Teamstrukturen, Defizite beim Informationsmanagement und Überlastungen der Mitarbeiter auftreten, führte dies zu Unsicherheit und Unzufriedenheit in den Ämtern.

Solange die soziale Sicherheit an der bezahlten Arbeit hängt, bleibt nur ein Weg, den Bürgern ihre Zukunftsangst zu nehmen. Man muß Arbeit schaffen, weil nur Arbeit Sicherheit verspricht, und so gerät der Arbeitsmarkt, für den der Staat formell gar keine Zuständigkeit besitzt, ins Zentrum der Politik.

Konrad Adam: "Die Ohnmacht der Macht. Wie man den Staat ausbeutet, betrügt und verspielt. Siedler Verlag, 1994.

    Die Erfolgsaussichten einer staatlichen Arbeitsvermittlung stuften die Experten vom IAB als eher gering ein. Dedizierte Studien untersuchten die Strukturen und Erfolgsfaktoren der Arbeitsvermittlung in Österreich, der Schweiz, in Großbritannien und den Niederlanden, und fanden keine erfolgversprechenden Konzepte, die einer staatlichen Arbeitsvermittlung Vorteile gegenüber der privatwirtschaftlichen Marktalternative begründen würde. Und in Australien gar stiessen die IAB-Forscher auf das vielleicht extremste Erfolgsmodell: 1998 wurde in Australien die regulären Vermittlungsdienste als auch die intensiven Beratungs- und Vermittlungsdienste für schwervermittelbare Arbeitslose privatisiert. Lediglich die offenen Stellen werden landesweit noch öffentlich registriert und an die privaten Anbieter weiter gegeben.

    Auch der OECD-Arbeitsmarkt-Experte Hugh Mosley kommt in seiner viel beachteten Studie über "Marktanteil und Marktsegment der Arbeitsvermittlung in der EU" zu einer klaren Schlussfolgerung: Die vorliegenden internationalen Daten zeigen, dass Monopolsysteme der staatlichen Arbeitsvermittlung keinen hohen Marktanteil sichern, und im Hinblick auf das individuelle Beschäftigungsverhalten gibt es auch keinen Beweis für eine Verdrängung der Nutzung staatlicher Arbeitsvermittlung durch die privaten Arbeitsvermittlungsdienste oder umgekehrt. Der Marktanteil der staatlichen Arbeitsvermittlungen hängt primär von der Qualität der von ihnen erbrachten Dienstleistungen sowie von ihrer eigenen Marktstrategie ab.

    Effizienzsteigerung durch internen und externen Leistungswettbewerb und Steuerung durch Zielführung: Diese Kernprinzipien ziehen sich wie ein roter Faden durch die Arbeitsvermittlungs-Konzepte der Länder, die von der IAB unter die Lupe genommen wurden. Fazit: Die Option für Reformen durch mehr Wettbewerb und Privatisierung oder durch Modernisierung des öffentlichen Vermittlungssystems wird entscheidend begrenzt von den gewachsenen institutionellen Strukturen. Die zentralistisch-technokratische Konzeption des Virtuellen Arbeitsmarkts ignoriert in weiten Teilen die Erkenntnisse der hauseigenen Arbeitsmarktforschung, deutlich ausformuliert im IAB Werkstattbericht Nr. 15 vom 21. Oktober 2002. Unter dem konzeptionellen Anspruch der Vernetzung des VAM mit allen Arbeitsmarktteilnehmern - dessen Umsetzung technisch schwierig und kostenintensiv ist oder mit zusätzlichen Bearbeitungsschritten seitens der Unternehmen manuell erledigt werden muss - werden die bestehenden gewachsenen Strukturen des Marktes weitestgehend ignoriert. Es gibt keine erkennbaren Wettbewerbsanreize, die Rahmenbedingungen dafür sind nicht geschaffen, eine vollständige Markttransparenz ist nur in einem monopolistischen VAM zu erreichen.

     Ohne langfristige Konzeption hat die BA neben der SIS Stellenbörse und ASIS (Ausbildungsplätze) in kurzer Zeit weitere Jobbörsen implementiert, auf eine Gesetzesinitiative (z.B. Job-AQTIV-Gesetz) wurde mit einer neuen, zusätzlichen proprietären Jobbörse reagiert. Die jüngste Neugründung, die JOB-Vermittlungsbörse, weniger als 2 Jahre im Wirkbetrieb, wird nach Betriebsaufnahme des VAM einfach wieder eingestampft, die angefallenen  Entwicklungskosten werden stillschweigend abgeschrieben.

    Beim Einsatz von Job-Suchmaschinen wurde vom Arbeitsamt München ein Probebetrieb des "Wimmi" Roboters initiiert, an den Entwicklungskosten beteiligte sich das Arbeitsamt mit 300.000 Euro. In einer undurchsichtigen Nacht- und Nebelaktion wurde das Projekt gestoppt. Der SPIEGEL berichtet darüber am 24.11.2003: "Arbeitsmarkt: Krimi mit Wimmi. Weil er eine erfolgreiche Computervermittlung aufbaute, drangsalierte die Bundesanstalt für Arbeit einen ihrer Amtsleiter. Nun startet sie ein ähnliches System.". Über die Initiative schreibt Michael Sauga im Spiegel weiter: "Die Münchner Alternative passte nicht mehr ins Konzept. Arbeitsamtschef Blume drohte die Zentrale zwischenzeitlich mit einem Disziplinarverfahren, die übrigen Ämter wurden per E-Mail gewarnt, das Modell auch nur zu testen. Etwaige Angebote, heißt es, seien abzulehnen". Arbeitsamtdirektor Blume ist mittlerweile im Ruhestand. Die BA hat nach dem zwangsverordneten Abbruch des Pilotbetriebs mit financialbot.com einen anderen Anbieter für die Jobsuchmaschinen ausgewählt. Dieser wurde ursprünglich zu Zeiten des Internet-Hype und den damit verbundenen Börsenboom für die Suche nach Börsenkursveränderungen konzipiert. Spezifische Praxiserfahrung im Personalmarkt haben die Entwickler des Robots noch nicht gesammelt - dies wird vermutlich im Praxiseinsatz in den Arbeitsämtern nachgebessert.

    Auch mit dem hochgelobten XML-Standard gibt es einen Schlingerkurs der Nürnberger. Seit langer Zeit war die BA - zusammen mit der schwedischen Arbeitsamts-Behörde - Mitglied in den internationalen Standardisierungs-Gremien des HR-XML-Konsortium. Deren Aufgabe bestand darin, einen neuen zukunftsweisenden XML-Datenstandard (XML Extended Markup Language) auf die Belange des Arbeitsmarkts zu definieren. Trotz aktiver Mitwirkung in diesem Gremium entschieden sich die Nürnberger mit ihren Kronberger Accenture-Beratern zum Alleingang und es wurde der sogenannte proprietäre "HR-BA-XML-Standard" geschaffen. Die Arbeitsmarkt-Teilnehmer sollen nun nach diesem Verfahren, der mit dem internationalen HR-XML-Standard nun inhaltlich nicht mehr kompatibel ist, ihren Datentransfer zwischen ihren proprietären Stellendatenbanken und dem VAM bewältigen. Dass dieser "Dialekt" in der XML-Sprache nicht der Weisheit letzter Schluß ist, haben die BA und die beteiligten Projektleiter noch vor dem offiziellen Startschuss für den VAM erkannt: Branchenexperten verweisen auf technische Absprachen unter den Projektbeteiligten, nach denen der stark proprietäre Ansatz aufgegeben werden soll und eine neuerliche Anpassung im Frühjahr 2004 an den "reinen HR-XML-Standard" erfolgen soll. Hinzu kommt, dass der stark von amerikanischen Bedingungen abhängige internationale Standard weiter verändert wird. Im Herbst 2003 hat sich eine europäische HR-XML-Arbeitsgruppe in Brüssel formiert, um in diesem Standard die europäischen Anforderungen besser berücksichtigen können. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese dann zu wiederholt neuen Anpassungen des BA-Standards führen.

Aufbruchstimmung: Lobby-Strukturen der Jobbörsen

In der Vergangenheit waren die Jobbörsen mit intensivem Wettbewerb untereinander beschäftigt und es hat sich in der noch jungen Branche keine gewachsene Verbands-Struktur für die Wahrung gemeinsamer Interessen speziell von privatwirtschaftliche Jobbörsen herausgebildet.

Arbeitsplatzvernichtung  

"Mit dem 'VAM' vernichtet die Bundesanstalt für Arbeit mittelfristig mindestens 50.000 Arbeitsplätze in der Verlags- und Internetwirtschaft", verweist Kai Deininger, Leiter der Initiative Arbeitsmarkt im eco-Verband, auf Expertenschätzungen: "Besonders skandalös ist, dass die BA mit einem Startbudget von über 70 Mio. Euro Steuergeldern den Kampf gegen die Privatwirtschaft antritt. Wir fordern Minister Wolfgang Clement auf, diesem Frontalangriff auf die soziale Marktwirtschaft durch BA-Chef Florian Gerster ein Ende zu setzen!"
Quelle: eco-Verband

Die schnell zusammengeführte Intitiative der vier grossen Jobbörsen unter der Koordination der Arbeitsmarkt-Kommunikations-Spezialisten von Accente und dem Publizitäts-Schulterschluss mit ECO und dem BDZV (Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger) war ein erster Schritt.

Der BDZV als Interessenwahrer der Zeitungsverlage trägt seit einiger Zeit ähnliche ordnungspolitische Bedenken in die Öffentlichkeit, die dem Print-Mediensektor verbundenen Jobbörsen sind noch zurückhaltend. Doch das gemeinsame Interesse an fairen Wettbewerbsbedingungen führten ECO, BDZV und die privatwirtschaftlichen Jobbörsen auf der jüngst in Berlin anberaumten Pressekonferenz zusammen, womöglich diente dies als eine Initialzündung für weitere Abstimmungsgespräche und PR-Massnahmen.

Im Argumentations-Stau

Solange BA und kommerzielle Jobbörsen im Argumentations-Stau blockiert sind, ändert sich bei der Arbeitsvermittlung nichts - nur die Technik ist neu.

Nicht einmal die lang anhaltende Flaute auf dem Arbeitsmarkt und die Verwässerung der Stellenanzeigenpreise durch den Wegfall des Hochpreis-Schutzes der Print-Stellenanzeigen haben zu der viel vorausgesagten Konsolidierung am Markt der Jobbörsen geführt, auf dem es nur wenige Überlebende geben würde, das Arbeitsamt und eine Handvoll private Jobbörsen. Im Gegenteil: Der Markt der Jobbörsen kann eine gute Akzeptanz  melden: "Fast 40 Prozent der Bewerbungen, die in den Personalabteilungen von Deutschlands Großunternehmen eingehen, kommen heute auf elektronischem Weg in die Firma - noch vor einem Jahr waren es erst rund 30 Prozent", so die noch unveröffentliche Studie der Universität Frankfurt/M und Monster Deutschland "Recruiting Trend 2004).

Anonymer Beitrag in einem Internet-Diskussions-Forum über die Pläne der BA, eine zentrale einheitliche Jobbörse für Deutschland zu errichten:
"Das wäre so, als ob Beate Uhse alle Single-Treff-Börsen verbieten würde"

Hinzu kommt eine verstärkte Nischenbildung bei Jobbörsen, denn viele Organisationen und Verbände nutzen ihre Ausrichtung auf eine klar umgrenzte Zielgruppe, in ihren Webportalen auch  Jobbörsen-Funktionen anzubieten. Mittlerweile führt dieser "Boutiquen-Ansatz" dazu, dass es in Deutschland über 750 Jobbörsen gibt, die zum Teil mit nur wenigen, aber zielgerichteten Stellenangebote ihre Klientel bedienen.

Zwischen Theorie und Praxis: Der Markt für Zitronen und der Markt für Gourmets

Die internationale arbeitsmarktpolitische Erfahrung hat gezeigt, dass es  aufgrund von Informations- und Transparenzdefiziten über die Marktteilnehmer  "Bewerber" oder "Arbeitgeber" zu Einschätzungen kommt, die den Arbeitsmarkt in einen "Markt für Zitronen" (Akerlof) verwandeln kann. Zu diesem Aspekt schreibt Regina Konle-Seidl (IAB Nürnberg, Langfristige Vorausschau und internationale Analysen) im IAB-Werkstattbericht:

Regina Konle-Seidl ist beim IAB Nürnberg für Langfristige Vorausschau und internationale Analysen zuständig. Foto: IAB

"Hintergrund hierfür ist, dass asymmetrische Informationen zugunsten des Anbieters (Agentur) und zulasten des Nachfragers (Kunde) vorherrschen. Besitzt eine Marktseite einen Informationsvorsprung und damit einen strategischen Vorteil, können sich Märkte herausbilden, in denen sich schlechte Leistungen lohnen. Es kann zu Marktversagen kommen. Akerlof nennt für die Herausbildung eines solchen "Marktes für Zitronen" zwei Bedingungen: Erstens muss es sich um Erfahrungsgüter handeln, deren Qualität erst nach dem Kauf beurteilt werden kann. Die zweite Voraussetzung ist, dass der Käufer nicht in der Lage ist, den Anbieter für seine schlechte Qualität individuell durch "Abwanderung" zu bestrafen. Auch für Personaldienstleistungen wie die Arbeitsvermittlung gelten die Akerlof-Bedingungen. Für die Marktteilnehmer geht es darum, Kontraktpartner zu finden, deren Information und Versprechen sie vertrauen können. Bei der Suche können Arbeitsvermittler eine Filterfunktion für Arbeitgeber und Arbeitssuchende übernehmen. Sie können ihrerseits versprechen, Marktteilnehmer zusammenzuführen, bei denen die wechselseitigen Erwartungen an Arbeitsleistungen bzw. Arbeitsbedingungen und Karrieremöglichkeiten möglichst weitgehend übereinstimmen. Die Einhaltung dieses Versprechens, also letztlich die Qualität der Arbeitsvermittlung, lässt sich aber deshalb erst im Laufe des Beschäftigungsverhältnisses beurteilen. Wegen des Erfahrungsgutcharakters der Vermittlungsdienstleistung hängt ihre Qualität also davon ab, ob das Vertrauen der Marktteilnehmer in den Vermittler gerechtfertigt ist."

Regina Konle-Seidl's Hinweis auf den "Markt der Zitronen" beleuchtet die Sensitivität des Personalvermittlungsmarkts. Bei transparenten Märkten, z.B. Wertpapierbörsen oder dem globalen Devisenhandel, deren Produkte hochgradig standardisiert sind und deren Marktteilnehmer sich kennen (z.B. Devisenhändler), verfügen die Teilnehmer in der Regel über den gleichen Informationsstand (jedoch entgegengesetzte Zukunftserwartungen). Im Arbeitsmarkt hingegen herrscht bei der Personalbeschaffung ein Informationsnotstand, der erst sukzessive im Laufe der Probezeit bereinigt wird. Dann entscheidet sich, ob Bewerber die Erwartungen erfüllt haben oder auch nicht. Allerdings haben die Marktteilnehmer (Bewerber und Arbeitgeber) gleiche Zukunftserwartungen.

Das Akerlof-Zitronen-Modell

George A. Akerlof: Nobelpreis für Zitronen-Markt-Modell.
Foto: Noah Berger

Falls Marktteilnehmer die Qualität nicht sinnvoll beurteilen können, ist Vertrauen der einzige Faktor, um die Kosten der Informationsbeschaffung über den anderen Martteilnehmer und dessen angebotenen Produkte oder Dienstleistungen wirtschaftlich zu vertreten. Ohne gesicherte Qualitätsbeurteilung  werden sie nicht akzeptieren, überdurchschnittliche Preise zu zahlen. Anbieter mit qualitativ hochwertigen Produkten oder Dienstleistungen sind demzufolge nicht bereit, niedrigere Preise zu akzeptieren. Akerlof zieht daraus die Schlussfolgerung, dass bei "asymmetrischen Informationen" eines Marktes das Transaktionsvolumen und die Qualität der ausgetauschten Produkte und Dienstleistungen abnimmt. In der Folge stehen Informationsanbieter, die diese Wissenslücke schliessen könnten, vor der Herausforderung, die unterschiedlichen Qualitäten der Marktteilnehmer zu signalisieren. Akerlof's Marktmodell gilt für Produkte und Dienstleistungen unabhängig von dem damit verbundenen Risiko. Zwei Alternativen sind nach Akerlof's Theorie verfügbar: Märkte entwickeln sich für Produkte oder Dienstleistungen, deren Qualität bekannt ist oder Märkte entwickeln Mechanismen, das Vertrauen beinhaltet. Diese Vertrauensbildung wird heute als "Branding" bezeichnet.

Mangels qualifizierter Informationen werden bei Personaleinstellungen Sekundär-Informationen herangezogen, um bereits in der Vorauswahl bestehende Informationslücken zu schliessen. Beispiele:

Klassische Sekundär-Referenzen
Zeugnisse
Persönliche Referenzen
Renomme früherer Arbeitgeber
Renomme Praktika-Stellen
Ranking der Universitäten differenziert nach Fachbereichen bei Hochschulabsolventen
Ranking von Post-Graduate Studiengängen
Ranking der beliebtesten Arbeitgeber
Zukünftige Sekundär-Referenzen bei Online-Arbeitsvermittlung
Zielgruppen-Orientierung einer Jobbörse (Branche, Tätigkeit, Spezialisierung)
Zielgruppen-Orientierung staatlicher Arbeitsämter (Arbeitslosen-Vermittlung)
Quantitatives Ranking der Jobbörsen (Grösse, Marktanteile, Spezialisierung)
Qualitatives Ranking der Jobbörsen (Qualität der Bewerbung, Vermittlungseffizienz)
Qualitatives Ranking der Bewerberdatenbanken
"Employer Branding", "Candidate Branding"

Schon lange berücksichtigen viele Personal-Praktiker bei Einstellungsentscheidungen intuitiv die klassischen und einige der zukünftigen Sekundär-Referenzen, um die Unsicherheiten zu reduzieren, wie sie der Wirtschaftswissenschaftler George A. Akerlof von der Berkeley-Universität in Kalifornien eloquent als "Zitronenmarkt infolge asymetrischer Informationslage" bezeichnet - und dafür im Jahr 2001 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhielt.

Ob der zentralistische Ansatz des Virtuellen Arbeitsmarkt alle differenzierten Informationen und Qualitätsmerkmale der Marktteilnehmer in Zukunft zu einem standardisierten Einheitsbewerberprofil verwässert, bleibt abzuwarten. In automatisierten Profiling & Matching-Verfahren, wie es von der BA stark propagiert wird, schlummert auch die Gefahr eines nivellierten Cyber-Profils, welches die für Personalchefs notwendigen Differenzierungen bei der Bewerberauswahl verwischt. Personalchefs können Zeugnisse sehr wohl auch "zwischen den Zeilen" lesen und Hochschulabsolventen werden nicht nur nach Examens-Noten sondern routinemässig auch nach dem Renommee der Universität und des spezifischen Fachbereichs beurteilt. Wenn die automatischen Profiling-Verfahren des VAM nicht differenziert genug sind, erhält der Personalchef als Folge davon eine unnötig grosse Bewerbervorschlagsliste.

Das Gourmet-Modell

Vertrauenswürdiger Marktteilnehmer:
Fugu-Koch in Japan

Auch ohne Akerlof's fundierten theoretischen Begründungen zu kennen, hat sich in Japan bereits vor Jahrhunderten ein spezieller Markt herausgebildet, in welchem die Marktteilnehmer mangelnde Qualitätsinformationen durch ein besonderes Vertrauen ersetzten. Gourmets und Geniesser des Fugu Fischs, der das tödliche Gift Tetrodotoxin in den inneren Organen aufweist, vertrauen in die qualitativ hohen Fähigkeiten des anderen Marktteilnehmers, des Fugu Kochs, die giftigen Bestandteile restlos zu entfernen. Und erst im modernen Japan heutiger Prägung haben die Regierungsbehörden in Ergänzung zu diesem lebenswichtigen Vertrauen mittels Fähigkeitsnachweise der Fugu-Köche und spezieller Lizenzen für diese Spezial-Restaurants vorgeschrieben, und damit quasi ein "trusted certificate" geschaffen.

Weiterführende Links

  1. Arbeitslosigkeit: Wie die Bundesanstalt jahrelang Reformen blockierte
  2. Bund der Steuerzahler: Die öffentliche Verschwendung 2003
  3. DMEuro und 3satbörse fanden 64.878 offene Stellen, von denen das Arbeitsamt nichts weiß.
  4. Das Arbeitsamt der Zukunft. Manfred Präcklein, Stern-Online.
  5. eco Verband der Deutschen Internetwirtschaft e.V.: Internet Verband eco moniert den Alleingang der Bundesanstalt für Arbeit beim "Virtuellen Arbeitsmarkt"
  6. Frischer Wind im Arbeitsamt. Stern-Online.
  7. MeineStadt.de
  8. OpusForum.org
  9. Rekruter.de
  10. Spiegel-Online: Zoff um Online-Jobbörsen: Die Job-Piraten vom Arbeitsamt. Artikel von Bärbel Schwertfeger.
  11. [26] Akerlof, G.A. (1970): The Markets for Lemmons: Quality Uncertainty and the Market Mechanism. In: Quarterly Journal of Economics LXXXIV, 488-500.
  12. IAB Werkstattbericht Nr. 15 vom 21.10.2002: Steigerung von Effizienz und Reputation in der Arbeitsvermittlung - Fragen der Privatisierung oder Modernisierung im Spiegel internationaler Ansätze und Erfahrungen. Regina Konle-Seidl.
  13. Bericht der Hartz-Kommission "Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt.
  14. Ungewisse Zukunft des Job-Offensiv-Centers. Frankfurter Allgemeine Zeitung Regionalteil für Hochtaunus und Main-Taunus vom 20. November 2003.
  15. Virtueller Arbeitsmarkt: Die Bulldozer-Strategie.Bärbel Schwertfeger in: Personalwirtschaft 10-2003.
  16. Ich bin kein Hartzist. Interview mit Florian Gerster. Wirtschaftswoche Nr. 40 vom 25.9.2003
  17. Florian Gerster im Interview: "Arbeits ist einfach überteuert". FAZ vom 23.11.2003
  18. Verschwendet Gerster Geld für PR-Berater? Tagesschau.de vom 24.11.2003.
  19. Die Deutsche Job ArGe wird vernetzt. Crosswater Systems, 4. Juli 2003
  20. Krimi mit Wimmi. Bericht von Michael Sauga im Spiegel 48/2003
  21. Konrad Adam: "Die Ohnmacht der Macht. Wie man den Staat ausbeutet, betrügt und verspielt. Siedler Verlag, 1994.