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Bewerbermanagementsysteme: Über 100 Lösungen, welche ist die ideale? 

Ein Gastbeitrag von Ralf-Peter Wolter, HRM CONSULTING GmbH Zuvor erschienen in: Personalmagazin, Ausgabe 05/2004 

Ralf-Peter Wolter
HRM CONSULTING Berlin

Ein Bewerbermanagementsystem kann die Personalabteilung erheblich entlasten und die Zeit zwischen Bewerbungseingang und Einstellung verkürzen. Voraussetzung ist allerdings eine sorgfältige Auswahl des Systems anhand der HR-Prozesse im Unternehmen.

 Die Personalabteilungen werden bei der geplanten Einführung eines neuen Bewerbermanagementsystems (BMS) oder der Ablösung eines bestehenden Systems mit einem unübersichtlichen Markt konfrontiert. Zurzeit werben etwa 100 Unternehmen mit ihren BMS oder auch Talent Relationship Management-Systemen (TRMS) um Aufträge.

Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass sich die Branche in den vergangenen zwei Jahren darauf konzentriert hat, ihre Lösungen zu verfeinern sowie technologisch sicherer, breiter und stabiler aufzustellen. Größere Innovationen sind nicht erfolgt. Folgende Funktionalitäten und Leistungsmerkmale sind Kernbestandteile einer jeden, derzeit verfügbaren Lösung:

• Anlegen von Stellenausschreibungen
• Automatische Übernahme von Online-Bewerbungen
• Manuelles Einstellen von Bewerberdaten (bei Print- und E-Mail-Bewerbungen)
• Dokumentenverwaltung
• Anbindung an den Stellenmarkt auf der unternehmenseigenen Homepage
• Einbindung von Fachabteilungen
• Serienbrief-/Serienmailfunktionen
• Anlegen eines Bewerber-Pools
• Workflow-Dokumentation
• Statistiken
• Suche nach geeigneten Bewerbern

Weitere sinnvolle Zusatzfunktionen je nach Bedarf und System sind:

• Anbindung an externe Jobbörsen und Printmedien
• Kalenderfunktion mit Eventmanagement
• Anlegen mehrerer Bewerber-Pools
• Automatische Vorauswahl durch Filterfunktionen mit Bewerber-Ranking
• Einbindung von Online-Assessments
• Mehrsprachigkeit
• Erinnerungsfunktion beim Überschreiten von Terminen
• Suche in Word- und PDF-Anlagen
• Einbindung externer Dienstleister

Bei der Auswahl eines geeigneten Systems sollte sich ein Unternehmen auf solche Funktionalitäten beschränken, die auch wirklich effizient gelebt werden können. Zu viele Möglichkeiten erhöhen unnötig die Komplexität der Lösung und führen zu höherem Schulungsaufwand.

Bewerber und Talente managen

Bei den reinen Bewerbermanagementsystemen dominieren ASP-Lösungen (Application Service Providing). Die Software muss nicht gekauft, sondern kann über einen Dienstleistungsvertrag gemietet werden. Die Nutzer loggen sich dabei über einen Internet-Browser auf dem Server des Anbieters ein, auf dem das BMS installiert wurde. Für Unternehmen ist dies kostengünstig, da Softwareinstallationen an jedem Arbeitsplatz und Serviceleistungen vor Ort entfallen. Bedenken kommen häufig von IT-Abteilungen und Datenschutzbeauftragten, da die sensiblen Bewerberdaten nicht im direkten Einflussbereich des Unternehmens verbleiben. Die Anbieter von BMS-Systemen bieten allerdings mittlerweile Sicherheitslösungen an, die auch von diesen beiden Anspruchsgruppen akzeptiert werden.

Talent Relationship Management-Systeme gehen über die Leistung der BMS hinaus. Sie haben zum Ziel, neben dem Handling der Bewerbungen langfristige Beziehungen mit dem Bewerber zu ermöglichen. So kann ein Unternehmen bei Personalausschreibungen zunächst etwaige interessante Bewerber der internen Datenbank ansprechen. Die Rekrutierungskosten werden stark reduziert. Einige US-amerikanische Konzerne besetzen bereits 40 Prozent ihrer Stellen auf diese Weise. Hire.com (Vertrieb über Stepstone), Refline, Mr.Ted oder Brassring bieten derartige Systeme an.

Jobbörsen: BMS für Mittelständler

Seit einiger Zeit drängen nun auch die größeren Online-Jobbörsen auf den Markt der BMS. Sowohl Jobpilot („HR-Workflow“), Stepstone („OneStep“) als auch Monster („Office HR“) treten als Softwareanbieter in diesem Segment auf. Die ASP-Lösungen werden ausschließlich über das Internet angesprochen und sind mit der jeweiligen Job-Plattform eng verbunden. Das Ziel der Anbieter ist weniger, das Bewerbermanagement als Produkt in den Vordergrund zu stellen, als vielmehr Unternehmen durch Zusatzservices stärker an die Plattform zu binden und Anzeigen zu verkaufen. Im Fokus haben die Jobbörsen insbesondere Kleinunternehmen und kleinere Mittelständler.

Alle relevanten Bewerberdaten befinden sich außerhalb des unternehmenseigenen Netzwerks. Der HR-Mitarbeiter greift auf eine kostengünstige und intuitiv zu bedienende Lösung zu, für die es normalerweise keinen Schulungsbedarf gibt. Der Nachteil dieser Lösungen besteht vor allem in der mangelnden Veränderbarkeit der Software und in der unflexiblen Einbindung in die eigene Homepage, in bereits bestehende Personalverwaltungssoftware sowie weitere Jobbörsen. Die Systeme sind kaum auf die individuellen Arbeitsschritte bei der Bewerberauswahl anzupassen.

Während eine Darstellung im Corporate Design meist möglich ist, sind der Individualität vertrauter Arbeitsabläufe im Unternehmen enge Grenzen gesetzt. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil besteht hingegen in einer reduzierten Zeit für die Softwareeinführung. Es geht hier um Tage, nicht um Wochen oder Monate.

Softwaremodule und ERP-Systeme

Außer den Lösungen, die auf Bewerbermanagement spezialisiert sind, gibt es eine Vielzahl von Anbietern aus dem Segment der Personalverwaltungssoftware, die ebenfalls Module zum Bewerbermanagement anbieten. Die Kernkompetenz dieser Systeme liegt in den Bereichen Stammdatenverwaltung, Lohn- und Gehaltsabrechnung sowie Personalentwicklung. Die Prozesse im Bewerbermanagement werden häufig ungenügend abgebildet und sind wenig benutzerfreundlich. Sollte ein derartiges System bereits im Unternehmen im Einsatz sein, macht es Sinn, sich das BMS-Modul anzuschauen. Das Unternehmen sollte aber gleichzeitig andere Systeme evaluieren, die entsprechende Schnittstellen anbieten. Zielgruppe dieser kostengünstigen HR-Komplettlösungen ist der Mittelstand.

Eine Sonderstellung bei den Personalverwaltungssystemen nehmen ERP-Systeme (Enterprise Resources Planning) ein, wie sie von SAP oder Peoplesoft angeboten werden. Die kostenintensiven HR-Module der ERP-Suiten eignen sich für den Konzernbereich und große mittelständische Unternehmen insbesondere dann, wenn bereits andere Module vorhanden sind. Ein Vorteil besteht in einer optimalen Systemintegration der HR-Software ohne Schnittstellenproblematik. Auf das aktuelle SAP-Produkt „E-Recruiting“ musste der Markt lange warten. Immer wieder wurde die Einführung verschoben. Die Kooperation mit Futurestep, in deren Mittelpunkt die gemeinsame Softwareentwicklung sowie eine inhaltliche Unterstützung stehen sollte, wurde beendet, nachdem sich das amerikanische Unternehmen von den europäischen Märkten zurückzog.

Eigenentwicklungen flexibel gestalten

Eine weitere Möglichkeit zum Management von Bewerbungen bieten Eigenentwicklungen. Diese sind anfangs sehr gut auf die jeweiligen Arbeitsabläufe im Bewerbungsprozess abgestimmt, da die definierten Anforderungen optimal technologisch umgesetzt werden können. Aber die Arbeitsprozesse können sich ändern. Die zugrunde liegende Datenbank sollte deshalb sehr flexibel aufgebaut werden, sodass sie künftige Strukturen und Abläufe noch abbilden kann. In den meisten Fällen wird sich die Frage der selbstständigen Entwicklung jedoch nicht stellen, da diese oft teurer und zeitaufwändiger ist, als ein Rückgriff auf bereits existierende Applikationen.

Noch bevor die Suche nach einer optimalen Lösung beginnt, sollte der Bewerbungsprozess optimiert werden. Anhand eines Sollprozesses kann die Personalabteilung im weiteren Prozessverlauf zwei Arten von Funktionalitäten identifizieren: Jene, die die Applikation notwendigerweise besitzen muss, und solche, die vorteilhaft wären, auf die aber auch verzichtet werden könnte. Der Anforderungskatalog stellt die Grundlage für die eigentliche Auswahl der Software dar. Dieser sollte sorgfältig erarbeitet werden, da in diesem Zusammenhang eigene Optimierungspotenziale identifiziert werden können.

Kriterien für die Einführung

Außer diesen Funktionsmerkmalen, die individuell variieren können, müssen bei der Auswahl einige grundlegende Dinge beachtet werden. Die Einführung eines neuen Systems sollte als Managementaufgabe betrachtet werden. Eine aktive Unterstützung seitens der Geschäftsführung ist wichtig, um bei entscheidenden Projektabschnitten definitive Entscheidungen zu treffen. Zudem sollten bereits in dieser Phase unbedingt die HR-Mitarbeiter, Betriebsräte und Führungskräfte als künftige Nutzer einbezogen werden, da so die Akzeptanz einer neuen Lösung gesteigert wird. Als Leiter des Projekts kommen ein Mitarbeiter oder ein externer Berater infrage, die über die Fähigkeit der Moderation zwischen den Projektbeteiligten verfügen. Ferner ist zu prüfen, ob eine Migration bestehender Bewerberdaten erforderlich ist. Komplexität, Dauer und Budget der Softwareeinführung können dadurch erheblich beeinflusst werden.

Auch die IT-Abteilung sollte sehr früh involviert werden. In den meisten Fällen existieren im Unternehmen Anforderungen hinsichtlich der technologischen Grundlagen der Software. Das betrifft Minimalanforderungen der IT-Umgebung hinsichtlich der Sicherheit sowie der Erweiterbarkeit und Schnittstellenfähigkeit der neuen Applikation. Wichtig ist zu klären, ob die Datenhaltung im unternehmenseigenen Netzwerk oder auch auf einem Server im Internet erfolgen kann. Bedenken hinsichtlich der sicheren Datenübertragung sind heute unbegründet, da alle Anbieter Verschlüsselungstechnologien bereitstellen.

Vorselektion: Anbieter im Test

Nach Festlegung der Auswahlkriterien unter Einbeziehung möglichst vieler Prozessbeteiligter sollte die Arbeitsgruppe zur Systemauswahl stark reduziert werden. Wichtig ist es, ein Gremium zu schaffen, das entscheidungsfähig ist. Nur so kann das in der ersten Phase Beschlossene weitestgehend autonom umgesetzt werden.

Eine Vorselektion der Software kann durch Präsentationen vor Ort, telefonische Interviews oder per Internetpräsentation erfolgen. Gerade die beiden letztgenannten Möglichkeiten sparen viel Zeit und Kosten. Die Zahl der Anbieter, die später zu einer Produktpräsentation eingeladen werden sollen, wird dadurch erheblich reduziert. Bei den Anbietern, die in die engere Wahl kommen, gilt es, die Marketing- und Vertriebsaussagen zu hinterfragen. Die Vorselektion bietet außerdem die Möglichkeit, die Qualität des Supports der Anbieter zu überprüfen. In diesem Zusammenhang sollte die Projektgruppe mehrere Supportkanäle (Telefon, E-Mail et cetera) testen.

Außerdem sollte sie nach Sichtung der Softwareanbieter und der Kenntnis der Kosten erneut eine umfassende Rentabilitätsrechnung vornehmen.

Feinselektion: Die Software unter der Lupe

Bei der Feinselektion gilt es, rund fünf Lösungen genauer zu betrachten. Dafür macht sich die Projektgruppe ein ausführliches Bild vom Produkt und Unternehmen. Zu prüfen ist auch, welche strategische Bedeutung die Software für den Anbieter selbst besitzt. Ist die angebotene Lösung eine von vielen oder wird die gesamte inhaltliche und technische Entwicklung in das präsentierte Produkt gesteckt? Steht das Unternehmen auf einer sicheren ökonomischen Basis oder arbeitet es defizitär? Wie lange wird das Produkt bereits entwickelt und wann erscheint eine neue Version? Bezieht das Unternehmen die Erfahrungen bestehender Kunden aktiv für die weitere Produktentwicklung mit ein?

Es lohnt sich auch, bei den genannten Referenzkunden genauer nachzufragen. Welche Erfahrungen haben sie bei der Softwareeinführung gemacht? Im Idealfall besteht die Möglichkeit, sich das Bewerbermanagementsystem vor Ort bei den angegebenen Referenzkunden zeigen zu lassen. Hier erhält die Projektgruppe Hinweise auf dessen Stabilität und Geschwindigkeit der Datenverarbeitung. Ist dies nicht möglich, sollte sie auf einer Online-Präsentation oder bei ASP-Lösungen auf die Bereitstellung eines Testzugangs bestehen, mit dessen Hilfe sie die Software und ihre Bedienungsfreundlichkeit prüfen kann.

Je einfacher das künftige System zu handhaben ist, desto geringer werden die Kosten für die Schulung der Mitarbeiter ausfallen. Es gibt in diesem Zusammenhang unterschiedliche Philosophien der Softwareunternehmen: Während einige erste Schulungen im Zuge der Einführung extra berechnen, fakturieren andere diesen Posten nicht. Aber der Kauf eines Bewerbermanagementsystems wird sicher nicht an der mangelnden Bereitschaft des Anbieters scheitern, den ersten Support kostenlos bereitzustellen.

Autor

Ralf-Peter Wolter ist Geschäftsführer der HRM Consulting GmbH. Zuvor war er bei verschiedenen Beratungsunternehmen als Produktmanager und Projektleiter tätig und befasste sich unter anderem mit der Auswahl und Entwicklung von Bewerbermanagementsystemen.

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Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autoren.

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