Crosswater Job Guide
Markt+Meinung

 

 

 

 

Trotz aller Appelle der Bundesagentur:  Der Virtuelle Arbeitsmarkt ist kein Ruhmesblatt für den IT-Standort Deutschland. Jetzt lässt sogar die Online-Popularität des Behörden-Job-Portals nach.

25. März 2004. Die Kritik am Job-Portal der Bundesagentur für Arbeit reißt nicht ab. Nun  hat auch die Computerzeitung CHIP dem Virtuellen Arbeitsmarkt eine Negativ-Auszeichnung als "Bremse das Jahres" zugeschanzt.

Bernd Schiphorst: Im Mittelpunkt des BA-PR-Berater-Skandals

Als die Welle der öffentlichen Kritik an den Beraterverträgen, die Florian Gerster an die Berliner PR- und Kommunikationsberatungsgesellschaft WMP erteilte, richtig in Gange war, griff der Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit noch ein.

In einer Pressemitteilung vom 10. Dezember 2003 appellierte er an die Öffentlichkeit, "dass die Fehler bei der Auftragsvergabe und -durchführung mit WMP nicht dazu legitimieren, jeden Geschäftsvorgang bei der BA öffentlich in Zweifel zu ziehen".

Und der Verwaltungsrat brach auch eine Lanze für die Mitarbeiter der BA und sorgte sich fürsorglich um deren Stimmungs- und Seelenlage: "Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BA haben Rahmenbedingungen und ein öffentliches Klima verdient, das es ihnen erlaubt, alle Kraft auf die erfolgreiche Umsetzung der tief greifenden Reformen zu konzentrieren, damit die BA von Arbeitssuchenden wie Arbeitgebern als professioneller und hilfreicher Dienstleister erlebt und anerkannt wird".

 

Erlebnis ja - Anerkennung nein

Doch Medien und Öffentlichkeit ignorieren diese Appelle, die Kritik am Virtuellen Arbeitsmarkt will nicht verstummen: Erlebnis ja - Anerkennung nein.

Der Virtuelle Arbeitsmarkt: Im Mittelpunkt der Negativ-Auszeichnungen

Nun hat das Computermagazin CHIP für den Internet-Auftritt arbeitsagentur.de gar eine Negativ-Auszeichnung als "Bremse des Jahres" verliehen und folgert daraus, daß die "dilettantisch gestaltete Webseite der Bundesagentur" einen beträchtlichen Schaden für das "Image des IT-Standorts Deutschland" hervorrufen würde.

Der Virtuelle Arbeitsmarkt sei ein Paradebeispiel für behördliche Mißwirtschaft, dessen Kosten jeden Rahmen sprengt. "Arbeitssuchende können diese Geldverschwendung als Zynismus begreifen." so das CHIP-Magazin weiter.

 

Erst Toll Collect dann
"Job Collect" ?

Toll Collect und "Job Collect" könnten bald als Synonym für wenig erfolgreiche Technologie-Projekte in Deutschland gelten.

Und auch das Magazin Der SPIEGEL (13/2004 vom 22. März 2004) berichtet von zusehends aggressiven Kunden: "Erhebliche Probleme bereitet der Umbau der Arbeitsämter in Agenturen. So spielten sich in der jüngst eröffneten Modell-Arbeitsagentur in Essen in den vergangenen Wochen chaotische Szenen ab, wie aus einem Schreiben des örtlichen Personalratsvorsitzenden hervorgeht. Weil das neue Callcenter mit zuwenig Personal und einem unzureichenden Computerprogramm ausgestattet war, sei es "zu einem erheblich verstärken Kundenaufkommen im Hause" gekommen, "das nicht mehr bewältigt werden konnte". Sogar der behördeneigene ärztliche Dienst habe mehrfach eingreifen müssen, um "umgefallene Kunden" zu betreuen. Als Folge nennt der Bericht eine verstärkte "Aggressivität der Kunden gegenüber den Mitarbeitern".

Ursula Engelen-Kefer: Im Mittelpunkt der Richling-Satire

Die Süddeutsche Zeitung befasst sich mit den Nachwehen der schwierigen Geburt "Virtueller Arbeitsmarkt" und zitiert Holger Bill, als Accenture-Geschäftsführer für den Kunden Bundesagentur für Arbeit verantwortlich, "daß die Internetseite bis heute recht amateurhaft wirkt". Seit der pünktlichen Betriebsaufnahme am 1. Dezember 2003 haben die Accenture-Spezialisten am Erscheinungsbild lediglich einige kosmetische Änderungen vorgenommen: Die recht langatmige Rechtsbelehrung am Anfang jeder Such-Ergebnisseite wurde an das Ende verbannt und die Schriftgrösse wurde verbessert - das war's dann auch schon.

Die Bundesagentur für Arbeit und ihr Kontrolle ausübender Verwaltungsrat ist nun auch in den Mittelpunkt der professionellen Satire gerückt. In der vom öffentlich-rechtlichen Fernsehsender WDR am 20. März 2004 ausgestrahlten Comedy-Sendung "Zwerch trifft Fell" lieferte Mathias Richling mit seiner Parodie der alternierenden Verwaltungsrats-Vorsitzenden Ursula Engelen-Kefer einen weiteren Nachweis, weshalb er als einer der schärfsten politischen Kabarettisten Deutschlands gilt.

 

Abstimmung per Maus-Click

Stellensuchende, die in den virtuellen Jobbörsen des WWW nach Stellenangeboten suchen, frequentieren immer diejenigen Jobbörsen, auf denen sie die attraktivsten Angebote vermuten. Ganz objektiv und emotionslos verzeichnet der Alexa-Traffic-Monitor die direkten Webseiten-Aufrufe und ermittelt somit, wie Stellensuchende über den neuen virtuellen Arbeitsmarkt der Bundesagentur für Arbeit per Maus-Click abstimmen.

Hatte das Vorgänger-Jobportal des Arbeitsamts (www.arbeitsamt.de) im Dezember 2003 noch einen Rang unter den 4.000 populärsten Websites des gesamten weltweiten Internets verzeichnet, ist dieser Ranglistenplatz im März 2004 verloren gegangen. Die neue www.arbeitsagentur.de rangiert als Nachfolger nur noch auf Platz 13.041 weltweit, noch hinter der privatwirtschaftlichen Jobbörse von jobpilot.

Tabelle: Alexa Traffic Ranking ausgewählter Job-Portale in Deutschland

Job-Portal 19.12.2003 20.03.2004
Arbeitsamt.de 3.811 *)
jobpilot  12.105 11.875
arbeitsagentur.de **) 13.041*)
StepStone 13.798 17.718
Stellenmarkt.de 45.623 21.603
Monster.de 28.794 26.976
Jobscout24.de 46.169 41.585
Jobware 57.038 49.445
Stellenanzeigen 57.021 54.977
Jobs.de***) 107.594 128.954
GULP 138.227 129.081
kliniken.de***) **) 161.967
JobStairs.de***) 173.116 186.422
Shippingjobs.com***) **) 195.173
arbeitanzeige.de***) **) 354.697
HR4you***) **) 530.482
jobverbund***) **) 733.527
Manpower***) **) 741.464
Degussa Karriere***) **) 1.067.098
XLJobs***) **) 1.197.406
ambconsulting***) **) 2.986.562
automotive-job.net***) **) 3.270.628
vw-jobboerse.de (Händlerorganisation) ***) **) 5.024.871
*) Das Job-Portal www.arbeitsamt.de wurde am 1.12.2003 durch den neuen Virtuellen Arbeitsmarkt www.arbeitsagentur.de abgelöst. Das Traffic Ranking von 13.041 vom 25.3.2004 ist ein wöchentlicher Durchschnitt, da Messungen erst seit März 2004 verfügbar sind.
**) Zahlen nicht verfügbar
***) Kooperationspartner der Bundesagentur für Arbeit beim Virtuellen Arbeitsmarkt
Quelle: www.Alexa.com

Allerdings sollte nicht übersehen werden, dass der Namenswechsel von "Bundesanstalt für Arbeit" auf "Bundesagentur für Arbeit" mit der damit einhergehenden Änderung der Webadresse von www.arbeitsamt.de zu www.arbeitsagentur.de bei der intensiven Verlinkung im World Wide Web nicht ganz problemlos abläuft. Im Dezember 2003 hatte die Webseite www.arbeitsamt.de über 64.000 Links aufzuweisen - und es wird wohl noch eine geraume Weile dauern, bis die neue Webseite www.arbeitsagentur.de in allen internen und externen Linkverzeichnissen des Internets angepaßt sein wird.

Da die alte Web-Adresse www.arbeitsamt.de trotz der neuen Behörden-Identität nach wie vor in Betrieb ist, dürfte auch noch ein gewisser Teil des Besucherstroms über diese veraltete Adresse laufen. Ob die Bundesagentur für Arbeit auch diese Bereinigung bald vornimmt, bleibt angesichts der vielen anderen ungelösten Fragen noch abzuwarten.

Vergleich: Online-Besucher-Traffic-Ranking
Chart 1: Arbeitsagentur vs ANPE (Frankreich)
 

Chart 2: Arbeitsagentur vs Jobcenterplus (Großbritannien)

 

Chart 3: Arbeitsagentur vs jobpilot (Deutschland)

Quelle: www.alexa.com

Interessant ist auch der Blick über den Tellerrand.

In Frankreich und Großbritannien, EU-Länder mit etwa vergleichbarer Bevölkerungszahl, wird die staatliche Arbeitsvermittlung ebenfalls über Job-Portale unterstützt.

ANPE ist die staatliche Arbeitsvermittlung in Frankreich und verzeichnet in ihrer Online-Stellenbörse 113.961 Stellenangebote Lebensläufe von Stellensuchenden (Stand 25.3.2004).

Im vergleichenden Online-Besucher-Traffic-Ranking schnitt die französische Arbeitsvermittlung erheblich besser ab als das Web-Portal von arbeitsagentur.de, obwohl im französchen Job-Portal weniger Stellenangebote und Bewerberlebensläufe verzeichnet sind.

In Großbritannien wird die staatliche Stellenvermittlung über das JobCenterPlus Portal abgewickelt.

Im Vergleich liegt arbeitsagentur.de in etwa gleichauf mit dem britischen Staats-Job-Portal.

jobpilot (www.jobpilot.de) gilt unter den privatwirtschaftlichen Jobbörsen in Deutschland als einer der Pioniere und Marktführer.

Der Vergleich der Besucherfrequentierung zwischen arbeitsagentur.de und jobpilot.de macht deutlich, dass beide Portale in etwa auf einem ähnlichen Niveau frequentiert werden.

jobpilot liegt im Traffic-Ranking von Alexa.com auf Platz 11.875 weltweit (6-Monats-Durchschnittswert).

Das alte Portal www.arbeitsamt.de lag noch im Dezember 2003 auf Platz 3.811 weltweit.

 

Das 25 Mio Euro Füllhorn

Es bleibt allerdings abzuwarten, inwieweit sich die Online-Besucherzahlen des neuen Virtuellen Arbeitsmarkts im Verlauf dieses Jahres entwickeln, insbesondere wenn die BA endlich das alte Jobportal arbeitsamt.de abschaltet. Weiterhin ist immer noch unklar, ob und wann der Verwaltungsrat der BA das 25 Millionen Euro schwere Füllhorn für die PR- und Werbekampagne des neuen Virtuellen Arbeitsmarkt ausschüttelt.

Die kreativen Köpfe der Werbeagentur Scholz & Friends haben einem Bericht des W&V Magazins zufolge zwar schon lange die öffentliche Ausschreibung für diese steuerfinanzierte Werbekampagne gewonnen - doch sie sitzen immer noch in den Startlöchern, bis die BA-Verwaltungsräte Ursula Engelen-Kefer und Peter Clever endlich ein Erbarmen zeigen - zu Gunsten der Steuerzahler oder zu Gunsten der Werbewirtschaft.