Off-Balance, Off-Shore, Off-Limits: Karrierechancen
für Banken-IT-Experten im Angesicht der Finanzkrise
[Crosswater Systems]
13.10.2008 / ghk.
Eigentlich sollte die derzeitig weltweit grassierende
Finanzkrise keine Überraschung sein: Bundeskanzlerin
Angela Merkel hatte schon mehrfach vor Jahresfrist auf
die schlummernden Risiken hingewiesen, Hypothekenbanken
wurden notleitend und stürzten fast im Zeitlupentempo ab
- viele sahen es kommen, wenige taten konkret etwas
dagegen.
Im Gegensatz zur Finanzmarkt- und
Anleger-Schutz-Lobby zeigten sich die
Anti-Raucher-Lobbyisten als effizienter, sie erreichten
- zumindest vorläufig - ein Rauchverbot in Einraum-Kneipen, die Darreichung von
zubereiteten Speisen wurde in spitzfindigen Definitionen von Essiggurke, Stulle und Bulette minuziös geregelt.
Die Gier und die Kassandra-Rufe
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Tom Wolfe |
Die Finanzmärkte hingegen blieben von neuen strengeren
Vorschriften weitestgehend verschont. Risiko-Investments
wurden bei den Banken als Off-Balance-Positionen ausserhalb der eigentlichen Rechnungslegung geführt,
dubiose "Special Vehicles" wurden Off-Shore nach Irland
und Übersee verlagert, strikte konservative
Finanzierungsgrundregeln waren Off-Limits.
Doch es gab genug Kassandra-Rufe. Nicht nur Finanzmarkt-Experten,
sondern auch Schriftsteller griffen die allzu
menschliche Sünde namens "Gier" auf. Michael Milkens
Aufstieg und Fall als Junk-Bond-King war Vorbild für den
Hollywood-Film "Wall Street" von Oliver Stone, der
Schauspieler Michael Douglas setzte sich brillant in
Szene. Der Kultfilm von 1987 thematisierte die
moralische Verkommenheit skrupelloser Spekulanten an der
New Yorker Börse.
Im gleichen Jahr schrieb der New
Yorker Schriftsteller Tom Wolfe, Begründer des "New Journalism" und Dandy-Figur in blütenweißen Anzügen,
den Roman "Bonfire of Vanities". Im Mittelpunkt steht Sherman McCoy, Absolvent der
Elite-Universität Yale und Investment Banker. Wolfe
schildert dessen
Karrierehöhepunkt als "Master of the Universe" - nur um
dann einen gnadenlosen Abstieg erfahren zu müssen.
"The Masters of the Universe were a
set of lurid rapacious plastic dolls that his
otherwise perfect daughter liked to play with. They
looked like Norse gods who lifted weights, and they
had names such as Dracon, Ahor, Mangelred and
Blutong. They were unusually vulgar, even for
plastic toys. Yet one fine day, in a fit of euphoria,
after he had picked up the telephone and taken an
order for zero-coupon bonds that had brought him a
$50.000 commission, just like that, this very phrase
had bubbled up into his brain. On Wall Street he and
a few others - how many? - three hundred, four
hundred, five hundred? - had become pricesely thath
... Masters of the Universe. There was ... no limit
whatsoever."
Tom Wolfe, Bonfire of the Vanities (Im Fegefeuer der Eitelkeiten). |
Noch hat die derzeitige Finanzkrise kein Gesicht, das
über den Tag hinaus diese Krise symbolisieren wird,
einige Politiker, Aufsichtsräte oder Bankvorstände haben
genügend Inkompetenz und Blindheit angesichts der
überall schlummernden Risiken gezeigt, um für diese
zweifelhafte Auszeichnung berücksichtigt zu werden.
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Wie der Nobelpreisträger Markowitz über die
optimale Portfolio-Selektion 1959 schrieb:
"Two objectives are common to all investors:
(1) They want "return" to bhigh. the appropriate
definition of "return" may vary from investor to
investor. But, in whatever sense is appropriate,
they prefer mor of it to less of it.
(2) They want this return to be debendable, stable,
not subject to uncertainty. No doubt there are
security purchasers who prefer uncertainty, like
bettors at a horse race who pay to take chances.
Harry M. Markowitz, Portfolio Selection:
Efficient Diversification of Investments.
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Angst füttert Medien
Auch
für die Medien bleibt diese Finanzkrise zunächst schwer
durchschaubar - und damit reihen sie sich ein in die
lange Schlange der Ahnungslosen, an deren vorderster
Front Aufsichtsbehörden, Wirtschaftsprüfer,
Revisoren, Risiko-Kontrolleure und Stadtkämmerer stehen
müssten - ihnen ging die in ihrer blinden Gier nach
immer höheren Renditen die Einschätzung des adäquaten Risikos
schlicht verloren. Der SPIEGEL
setzte das Thema auf die Titelseite, der Aufmacher war
die "Angst vor der Angst". Auch der Vorstand einer
Frankfurter Wertpapierhandelsbank, Oliver Roth, sprach
in einem Fernsehbericht des WDR Morgenmagazins weniger
von vernetzten Finanzrisiken sondern eher von der
"Angststarre", die in der Tierwelt gelegentlich
Kaninchen angesichts einer Schlange mit bösen Absichten
befällt. Konkrete Ursachenforschung und Erklärungen
bleiben zunächst Fehlanzeige.
Soziale und politische Auswirkungen
Die derzeit beobachteten Auswirkungen der
Finanzkrisen auf weite Bereiche der Wirtschaft, auf den
Arbeitsmarkt und die Vermögenslage der privaten
Haushalte sind ebenfalls gravierend, aber nicht neu, wie
Jörn-Carsten Gottwald von der Universität Trier schon
2003 ausführlich analysierte: "In etablierten
Volkswirtschaften wie den USA oder Japan konnten
Finanzkrisen in ihren sozialen Auswirkungen bislang
weitgehend eingedämmt werden. In Schwellenländern wie
Indonesien, Thailand oder Argentinien hingegen brachte
der Zusammenbruch der Finanzmärkte häufig den sozialen
Absturz großer Teile der Bevölkerung mit sich. Diese
Finanzkrisen entwickelten ihre volle Wucht erst durch
die Überschuldung der öffentlichen Haushalte, deren
finanzielle Ressourcen sich in dem Versuch, die Krisen
abzuwehren, auflösten. Für eine Sozialpolitik zur
Krisenbewältigung fehlten dann die nötigen Mittel,
sofern sie nicht von internationalen Geldgebern zur
Verfügung gestellt wurden. Die von der Finanzkrise
betroffenen Menschen zahlten in doppelter Hinsicht für
Marktversagen und Regulierungsfehler: Zuerst durch die
Einbußen an persönlichem Vermögen und dann durch den
Wegfall staatlicher und unternehmerischer Leistungen im
Zuge der Budgetsanierung."
Finanzmärkte im Wettbewerb um politische Macht
Weiter führt Gottwald aus: "Finanzmärkte sind geprägt
durch die Handlungen von Akteuren mit
höchstumfangreichen (Macht-)Ressourcen. Marktmacht steht
in enger Wechselwirkung mit politischer Macht.
Finanzmärkte sind zugleich eine Arena für den Wettbewerb
um politische Macht und ein Ziel für die Anwendung
politischer Macht. Dieser Wettbewerb richtet sich nicht
nur auf die Position auf den Märkten, sondern vor allem
auch auf die Kontrolle über die Regelsetzung. Deshalb
sind Finanzmärkte als zentrales Feld des
politischen Wettbewerbs ein wichtiges Thema für die
politikwissenschaftliche Analyse."
Nicht nur für Kommunen, Steuerzahler und Anleger
bietet diese Finanzkrise eine ausserordentliche
Herausforderung, auch die Auswirkungen auf den
Arbeitsmarkt findet in den reduzierten
Konjunkturprognosen ihre Bestätigung. Zu erwarten ist
eine Verschiebung der Nachfrage nach neuen
Arbeitsplätzen in der Bankenwelt, namhafte
Investmentbanken kündigen weltweit Stellenabbau-Pläne
an.
Ende der Karrierechancen?
Sind angesichts der Finanzkrise jetzt
alle Karrierechancen bei Banken vorbei? Eine
Generalisierung der düsteren Arbeitsmarktlage bei Banken
wäre etwas zu kurz gedacht, zu vielfältig sind die
einzelnen Beschäftigungssegmente bei den Banken.
Investmentbanker und Händler dürften sich auf raue
Zeiten einstellen, für Mitarbeiter in den Filialen der
Banken wird sich vermutlich nicht viel ändern,
Privatkundenbetreuer und Anlageberater kommen als
Konsequenz der Finanzkrise sicherlich in ihren
Kundengesprächen in Erklärungszwang und damit auch in
einen Aus- und Weiterbildungszwang. Angesichts der
Finanzkrise werden und müssen einige Banken ihre
Kompetenz und Kapazitäten in den Kontrollbereichen
sicherlich verstärken, die Chancen für Risikomanager,
Revisoren, Rechnungslegungsspezialisten dürften
positiver sein. Auch im Bereich der IT-Bankanwendungen
dürfte ein Umdenken stattfinden und die Prioritäten und
Budgets zugunsten der Risikokontrolle verschoben werden.
Wie stehen die Chancen für IT-Experten bei Banken?
Thomas Pirzer, 46, Absolvent der Bankakademie
Frankfurt, Personalberater und Jobbörsen-Betreiber in
dem präzise fokussierten Zielgruppenbereich Banker plus
IT-Expertise, bekennt Farbe. Im Gegensatz zu manchen
Personalberatern, die als Generalisten für die
unterschiedlichsten Branchen und Tätigkeitsfelder aktiv
sind, konzentriert sich Pirzer auf genau die Zielgruppe,
in der er seine eigene berufliche Kompetenz erworben
hat. Das befähigt ihn einerseits, die
Anforderungsprofile seiner Kunden schneller und besser
zu verstehen, andererseits kann er seinen Kandidaten
zielgerichtet auf den Zahn fühlen und ihre
berufliche Fähigkeiten und Erfahrungen punktgenau
abzuschätzen.
Crosswater Systems sprach mit Thomas Pirzer,
Personalberater und Betreiber von
www.bankerplus.de.
Thomas
Pirzer, Bankerplus:
Crosswater Systems:
Welche Auswirkungen hat die derzeitigen Finanzkrise auf
die Karrierechancen im Bankensektor – Insbesondere für
Investmentbanker, Anlageberater oder Risiko-Controller?
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Thomas Pirzer, Bankerplus |
Thomas Pirzer,
Bankerplus: kurzfristig : Aktionismus,
Bauernopfer, prozentuale Entlassungen, dauerhaft : Qualifikation zählt : Kenntnis der Produkte,
Kenntnis der Risiken. Da
beides (Produkte & Risiken) in Systemen erfasst und
verwertet wird, werden Fachleute gesucht, die die
eingesetzten Systeme risiko- und inhaltsorientiert
programmieren, verkaufen, nutzen, bedienen können – es
werden also nicht mehr nur der „Einzel-Skill“ eines
Programmierers, Traders, Verkäufers, Anwenders und
Controllers/Auswertenden gefragt, sondern diejenigen
Skill-Kombinationen, die sowohl das mathematische
Verständnis für das Bankwesen, als auch das analytische
Verständnis dafür haben, wie eine Applikation aufgebaut
ist, wie die Aggregation von Daten wirkt und wie Risiken
hinter Zahlen verborgen sein können. Diese
Fachleute nenne ich „bankerplus“ – entsprechende
Zertifizierungen werden derzeit vorbereitet.“
Crosswater Systems:
Müssen die Banken ihre
Risiko-Kontrollsysteme angesichts der Finanzkrise
erweitern oder sind die bestehenden Systeme gut genug?
Thomas Pirzer,
Bankerplus: Das größte Problem eines
Risikos ist, daß nur BEKANNTE Risiken in Meßsystemen
hinterfragt werden – die globale Vernetzung aber zB
ein neues Risiko zutage gebracht hat : Risiken treten
in ungeheuerer Kombination in ungeheurer
Geschwindigkeit an ungeheuer vielen Plätzen
gleichzeitig auf.
Ein
(eigentlich bekanntes) Problem war zudem, daß allen
Teilnehmern bewusst war, daß die einzelnen Risiken
mathematisch beherrschbar und vorhersehbar waren – nicht
aber Doppel- oder Mehrfachereignisse : z.B. daß der in
einem „Turbo-Zertifikat“ verbriefte Autowert
dramatisch an Wert verliert, wäre beherrschbar – daß
aber der Emittent aufgrund vollkommen anderer Risiken
(Kredite im regulären Bankgeschäft) „von der Seite
umgerannt wird“ und dadurch die Gewinn-Nutzung nicht mehr
möglich wird – DAS hatte niemand auf der „Watchlist“.
Risikosysteme können bis heute keine Vernetzung von
Risiken in dieser Dimension erfassen – das
Unvorstellbare heißt nicht nur zum Spaß so.
Crosswater Systems:
Gibt es nach Ihren Erkenntnissen
gravierende Unterschiede bei den vertikalen
(produktorientierten) und den horizontalen (Counterparties)
Kontrollsystemen?
Thomas Pirzer,
Bankerplus:Ja – per definitionem: wenn
Sie eine Anlageform wählen, die Produkte mit
mathematischen Relationen und mit Emittenten vernetzt,
sind Sie ein Himmelfahrtskommando.
Ein Beispiel :
Sie
kaufen kreditverstärkt (1) ein Zertifkat (2,3 und 4)
eines amerikanischen (5) Emittenten, das auf die
Wertentwicklung einer Autoaktie (6) in Japan (7 und 8)
abzielt – dann haben Sie folgende Risiken gekauft :
(1) überproportionale
finanzielle Auswirkung im positiven UND negativen Fall
mit
Zusatzrisiko „vorzeitige Beendigung der Durchhaltezeit“
wegen Kreditkündigung
(2) Sie
müssen einen bis zu 50seitigen juristischen Prospekt
zweifelsfrei auf Fallstricke interpretieren können
(„Nebenklauseln“)
(3) die
benutzten mathematischen Algorithmen sind Ihnen völlig
unbekannt UND vollkommen aus der Hand genommen – ein
Zertifikat ist eine EINSEITIGE Willenserklärung : der
Emittent ist in keiner Weise verpflichtet, überhaupt
mathematische Grundsätze zu beachten !
(4) Sie
unterliegen NICHT umfassend deutschem Recht
(„Chapter11“-Risiko)
(5) das
Branchenrisiko „Auto“ ist NICHT ausschließlich von der
Modellpolitik etc des (6)Autoherstellers abhängig - Sie
sind Emissionsrichtlinien unterworfen, Attentaten,
Formel1- Ergebnissen, Bestechung, Sabotage etc
(7) und
(8) zudem haben Sie ZWEI Länderrisiken : (7) das LAND
beeinflusst wirtschaftspolitisch die BRANCHE, (8) die
WÄHRUNG wird von Kapitalmärkten beherrscht – vgl die
Niederringung des britischen Pfundes durch George Soros
vor 10 Jahren !
Crosswater Systems:
In den Medien wird oft erwähnt,
daß komplexe Bankprodukte wie Derivate, Futures &
Options, Swaps oder Asset backed Securities von vielen
Anlegern kaum mehr verstanden werden, was das
Produkt-Risiko und das Emittenten-Risiko betrifft.
Haben diese Produkte auch nach der Finanzkrise eine
Existenzberechtigung, und unter welchen Bedingungen?
Thomas Pirzer,
Bankerplus:Warum sollte man einer
Bausparkasse untersagen, einen standardisierten Swap
anstelle von 300 Einzelkrediten zur Refinanzierung
seiner 10jährigen Darlehen zu nutzen ? warum aber
sollte man ihr erlauben, anstatt EINES 10jährigen
Swaps VIERZIG vierteljährliche Swaps mit 20
verschiedenen Emittenten in 10 verschiedenen Ländern
zu nutzen?
Thomas Pirzer
Nach seiner Ausbildung bei der HypoVereinsbank
war Thomas Pirzer, 46 Jahre alt und Absolvent der
Bankakademie Frankfurt, bei verschiedenen
Banken in Frankfurt im Handel mit Aktien und
Derivaten tätig. Bei der BHF-Bank arbeitete er mit
am Aufbau der DTB-Abteilung (heutige EUREX), bei der UBS AG in Frankfurt
war er als Director für Trading &
Risk-Management Derivate verantwortlich. Bei der
Wertpapierhandelsbank Close Brothers Seydler AG in
Frankfurt verantwortete er als Executive Director das Risiko-Management und die IT-Applications-Integration. In 2005 kam für Pirzer
der Schritt in die Selbständigkeit als
Personalberater und Publisher von
www.bankerplus.de
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Warum
sollte man einer Großbank untersagen, 300 Mio
Immobiliendarlehen en bloc an einen Investor zu
verkaufen? Warum sollte man aber ihr erlauben, dem
Investor das Recht zu geben, die Grundpfandrechte
verwerten zu dürfen, OBWOHL die Kredite ordnungsgemäß
bezahlt werden??
Wenn die
Bausparkasse auf ihren Kontoauszügen drucken würde
„unser kalkuliertes wirtschaftliches Ergebnis ist
abhängig von der Erfüllung von Swap-Kontrakten, bei
Fragen klären wir Sie gerne auf“ – das wäre wunderbar!
10 Tage später gäbe es diese Bausparkasse nicht mehr. Oder: die Anleger haben die Wahl zwischen
Bausparkasse-Untertopf 1 („Nicht-Swapper“) und
Bausparkasse-Untertopf 2 („Swapper“). Der Anleger kann
sich gerne entscheiden! Untertopf 1 wird leider dann 5%
für zehnjährige Darlehen verlangen, Untertopf 2 aber nur
4%. Will der Anleger „Bio-Kredite“? Ex-post betrachtet
wären Bio-Anlagen mit 4% statt 5% jetzt sicher gern
gesehen …. Underperformance, aber Geld zurück – aber
sagen Sie das mal VORHER: „underperformance“!
Crosswater Systems:
Off-Balance - Off-Shore –
Off-Limits: Die Verlagerung komplexer Produkte in das
buchhalterische Nirvana gilt als eine der Ursachen,
weshalb Wirtschaftsprüfer und Finanzaufsichtsbehörden
sich mit der Risiko-Einschätzung so schwer tun. Die
Bilanz-Betrugskrise um Enron hatte in den USA zur
Konsequenz, daß die Regulatoren mit den Erweiterungen
des Sarbanes-Oxley-Act ein bürokratisches Monster
geschaffen haben. Wie bekommen die Aufsichtsbehörden
angesichts der Finanzkrise die Lücken im
Risiko-Management in den Griff?
Thomas
Pirzer, Bankerplus: Da in Zukunft, wie in
der ersten Frage angesprochen, nur noch mehrfach qualifiziertes Personal zum
Einsatz kommt, werden auch Wirtschaftsprüfer nicht mehr
nur abfragen, wie das EINZELNE Risiko gehandhabt wird,
sondern wie die KOMBINATION der Risiken messbar ist – und
man wird verlangen, daß der KUNDE via Webportal
derartige Simulationen ansehen kann. Wenn ein Kunde die
Simulation der Kombinationen aus der Frage 3 in einer
Matrix zu Gesicht bekommt, werden die glänzenden Augen
wieder normale Farbe erhalten und er wird das Produkt
NICHT kaufen – oder er wird es kaufen und WISSEN, was er
tut.
Crosswater Systems:
Angesichts der vieldiskutierten
Millionen-Überweisung der KfW an die bereits
angeschlagene US-Investment-Bank Lehman Brothers
spielt das Timing der Überwachung und des
Risiko-Controlling eine besondere Rolle. Einerseits
wird das Settlement-Risiko durch bankübergreifende
Lösungen wie das CLS (Continuous Linked Settlement) im
Minutentakt kontrolliert, andererseits leisteten sich
Bankvorstände der KfW den Luxus eines arbeitsfreien
und damit risikolosen Wochenendes. Müssen
Risikokontrollsysteme zukünftig auf globaler Basis im
24-Stunden und 7-Tage-Takt eingesetzt werden?Thomas
Pirzer, Bankerplus: DAS ist
die beste Wirtschaftsfrage seit Jahren! Die Antwort
lautet: NEIN! Als ich vor 20 Jahren als Derivate-Trader meine Laufbahn begonnen hatte, waren die
Börsen nur zwei (!) Stunden täglich geöffnet – 2 Jahre
später (1987) kam für mich der erste Crash. Nein – der
Schlüssel liegt nicht darin, daß Systeme „irgend etwas“
LÄNGER anzeigen – sondern er liegt darin, daß die
Systeme das RICHTIGE anzeigen müssen. Das SYSTEM hat
keinerlei Bewusstsein, was überhaupt ein Risiko ist –
derjenige, der das System EINSETZT, muß wissen, was er
angezeigt bekommen möchte.
Die KfW
überweist sicherlich jeden Tag hundert mal 350 Mio Euros in
Swaps. Und sie ERHÄLT täglich 100 mal Swaps in solcher
Höhe – DAS war kein Risiko. Der Fehler war, daß eine
Nachricht mit einem SCHLÜSSELWORT („Chapter 11“) von
einem System überhaupt nicht erfasst wird !
Crosswater Systems:
Als Jobbörsenbetreiber und
Personalberater für die Zielgruppe der IT-Experten in
der Bankbranche fühlen Sie den Puls des
Arbeitsmarktes. Haben IT-Experten bei Banken
angesichts der Finanzkrise überhaupt noch
Karrierechancen oder steigt angesichts der offen
gelegten Lücken im Risiko-Management der Banken die
Nachfrage nach solchen Experten?
Thomas
Pirzer, Bankerplus: Die Chancen für
IT-Experten werden sich in keiner Weise verändern. Die
Chancen für Experten für BANK-IT („bankerplus“) werden
sich dagegen weiter dramatisch verbessern. Wer einem
Computer das Lesen von Nachrichten beibringen kann und
begründen kann, warum das sinnvoll ist – der kann
Norbert Blüms Zitat wörtlich nehmen: „Die Rente ist
sicher“. Das Einkommen liegt übrigens bereits jetzt
schon rund 50% über dem Durchschnitt sowohl eines
Bankers , als auch eines IT-Experten. Auf meiner Webseite
www.bankerplus.de können Sie die Skill-Matrix im
Investmentbanking online einsehen – in diesem Bereich
gebe ich analog Angela Merkels Aussage von letzter Woche: eine Job-Vermittlungs-Garantie für ALLE.
Weiterführende Links
Regulierungsdichte, Rauchverbot und zubereitete Speisen
http://www.kanzlei-hoenig.info/zubereitete-speisen
WDR Morgenmagazin vom 1. Oktober 2008:
Interview mit Oliver Roth, Broker Frankfurter Börse
Bankerplus:
www.bankerplus.de
Finanzmärkte und staatliche Regelsetzung. Warum
Finanzmärkte für Politik und Politikwissenschaft so
wichtig sind. von
Jörn-Carsten Gottwald.
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