Neue Kontroverse um BA-Vermittlungsstatistik: Im
Zahlenkreislauf gefangen
1.9.2005/ghk. Mittlerweile mutet es schon eher grotesk an, mit
welcher Hingabe sich die Beteiligten um die
Vermittlungs-Statistiken der Bundesagentur für Arbeit
kümmern. Und noch stärker sind die Bemühungen, wenn sich
die Beteiligten gegenseitig Schuldvorwürfe machen. Auf
der Strecke bleibt die nüchterne und pragmatische
Auseinandersetzung mit dem Arbeitsmarktproblem.
Konkretes Handeln ist gefordert - trotz
Bundestagswahlkampf.

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Frank-J. Weise, Bundesagentur für
Arbeit: "Wir haben aber weniger ein Imageproblem,
sondern mehr ein Leistungsproblem. Wir müssen jetzt
die Leistung bringen, die der Bürger erwartet. Es
ist nicht akzeptabel, daß uns diese
Unzulänglichkeiten immer wieder einholen." |
Was war passiert? Die Bundesagentur für Arbeit und
das ihr angegliederte IAB Institut für Arbeitsmarkt- und
Berufsforschung erheben und sammeln so manche Statistik,
um Trends und Analysen über die vielschichtigen Aspekte
des Arbeitsmarkts zu verdeutlichen. Nun hat das in Köln
domizilierte Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
diese Datenbasis verwendet, um die einzelnen
Arbeitsagenturen der Bundesagentur für Arbeit im
Hinblick auf die Ausgaben für ihre
Vermittlungstätigkeiten zu untersuchen und damit
vergleichbar zu machen.
So errechneten die Kölner Wirtschaftswissenschafter,
daß die Berliner Arbeitsagentur über 38.000 Euro
durchschnittlich für die Eingliederung eines
Arbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt ausgibt, während
der Arbeitsagenturbezirk Giessen das mit lediglich 7.358
Euro schafft. Eigentlich sind solche Vergleiche
sinnvoll, und Unterschiede in den 178 Arbeitsagenturen
nur natürlich. Lediglich die absolute Höhe der
Vermittlungskosten verwundert.
Nun ist zu Wahlkampfzeiten die Auseinandersetzung
mit der Arbeitsmarktpolitik der derzeitigen
Bundesregierung eine willkommene Gelegenheit, auf
Probleme besonders aufmerksam zu machen und die Medien
greifen natürlich diese Probleme je nach vermeintlicher
Partei-Couleur gerne auf. Dem Bericht des IW Köln folgte
eine eher routinemässige Pressemitteilung über die
Untersuchungsergebnisse und am Folgetag berichtete die
renommierte Frankfurter Allgemeine Zeitung im
Wirtschaftsteil ausführlich darüber. Beide
Veröffentlichungen legten Wert auf die Feststellung, daß
die Zahlenbasis aus dem Jahr 2003 stammt und auf
Ursprungsdaten der Bundesagentur für Arbeit basieren.
Eigentlich eine seriöse und sorgfältige Quellenangabe.
Die hohen Herren der Bundesagentur für Arbeit in
Nürnberg fühlten sich jedoch in ihren Bemühungen um
Klarheit und Transparenz überhaupt nicht ausreichend
gewürdigt und gaben in einer unmittelbar darauf
folgenden Presse-Erklärung ihre Sicht der Dinge zur
Rechtfertigung wieder. (Siehe:
So vergleicht die BA die
Effizienz ihrer Arbeitsagenturen – und mit welchen
Folgen
>>>hier).
So stellt die BA fest: "Die
Zahlen, auf denen die Untersuchung beruht, stammen aus
dem Jahr 2003 und berücksichtigen nicht die durch die
Reform der BA bereits erreichten Ergebnisse. Darüber
hinaus erweckt der IW-Bericht den Eindruck, die BA
stelle entsprechende Vergleiche der einzelnen Agenturen
untereinander nicht an. Das Gegenteil ist richtig: Um
die Wirtschaftlichkeit ihres Handelns zu überprüfen, ist
schon seit Beginn des Reformprozesses der Vergleich der
Agenturen ein wesentliches Steuerungs-Werkzeug. Dabei
ermittelt die BA auch die Kosten der aktiven
Arbeitsmarktpolitik."
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Die
BA hat mittlerweile zwölf Kategorien für
ihre 178 Arbeitsagenturbezirke entwickelt,
die neben der Arbeitslosenquote weitere
Merkmale wie beispielsweise die Dynamik der
wirtschaftlichen Entwicklung erfassen. Die
interne Erfolgskontrolle findet nur zwischen
Agenturen gleichen Typs statt. Diese
Ergebnisse veröffentlicht die BA jedoch
nicht.
(Aus einer Pressemitteilung der BA)
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Eigentlich ist diese Rechtfertigung und Augenwischerei nicht nötig. Das
IW Köln hat das Herkunftsjahr der Zahlen klipp und klar
deklariert - für das Jahr 2004 liegen seitens der BA
noch keine Zahlen vor. Das eigentlich schlimme daran
ist, wie die FAZ am 25.8.2005 schreibt, daß zwar die BA
eine interne Erfolgskontrolle zwischen gleichartigen
Agenturen erstellt, "Diese
Ergebnisse veröffentlicht die BA jedoch nicht".
Die BA rechtfertigte sich in ihrer Pressemitteilung
mit den Zahlen für zwei von 178 Arbeitsagenturen,
nämlich Berlin und Recklinghausen. Dann zog sie das
Fazit: "Diese Darstellung der
Entwicklung von ausgewählten Kennzahlen in den
angesprochenen Agenturen, soll zum einen ein Hinweis auf
die Möglichkeiten der Vergleichbarkeit von Agenturen
geben und zum anderen die Wirkung der konsequenten und
aktiven Steuerung in der BA exemplarisch aufzeigen." Von
einer Veröffentlichung aktueller Zahlen aller 178
Arbeitsagenturen ist keine Rede.
Und in anderen Pressemitteilungen offenbart die BA
ihr Statistik-Dilemma mit dem Zahlenkreislauf: "Die
aktuellen Arbeitslosenzahlen sind weiterhin mit
Unschärfen behaftet: Sie beruhen auch im August allein
auf Daten, die aus den IT-Systemen der BA gewonnen
wurden. Geschätzte 71.000 ehemalige Sozialhilfebezieher,
die bisher nicht arbeitslos gemeldet waren und nun von
Optionskommunen betreut werden, sind nicht erfasst
(ausführlich dazu: Presseinformation Nr. 33/2005).
Mittlerweile haben sich jedoch die Datenlieferungen der
Optionskommunen so weit verbessert, dass plausible Daten
für mehr als die Hälfte der Arbeitslosen aus den
Optionskommen vorliegen."
Von Großbritannien lernen
Ganz anders geht die staatliche Arbeitsvermittlung in
Großbritannien mit Vermittlungszahlen um und sie scheut sich
auch nicht, diese öffentlich darzustellen.
Vielleicht
hat sich der für die BA zuständige Bundesminister
für Wirtschaft und Arbeit Wirtschaftsminister
Wolfgang Clement am staatlichen britischen "Jobcenter"
zu recht ein gutes Beispiel genommen. Denn mitten in
der Euphorie-Phase der Hartz-Arbeitsmarktreformen führte
er in
einer Rede vor der Corporation of London am 12. Juni
2003 aus:
"Ihre
Maßnahmen zur Eingliederung von Sondergruppen des
Arbeitsmarktes - "New Deal" - oder die Incentives zur
Aufnahme auch niedrig bezahlter Tätigkeiten und die
Zusammenführung von Sozialleistungen und
Arbeitsförderung im Job-Center-Plus haben uns in
Deutschland aktuell inspiriert. Sie sind ein
wesentlicher Grund dafür, dass ich heute zu Gast bei
Ihnen bin. Ich möchte gerne von Ihren Erfahrungen
profitieren. Sie sind offensichtlich eines der derzeit
besten - wenn nicht das beste - Beispiel in Europa für
moderne Arbeitsvermittlung."
(Quelle:
Bulletin der Bundesregierung Nr. 48-1 vom 12.6.2003)
Im Hinblick auf die
Erfolgsrechnung bei der Arbeitsvermittlung verfolgt das
britische Jobcenter klare Ziele und veröffentlicht
Plan- und Ist-Zahlen, für die Öffentlichkeit
jederzeit einsehbar. So wird für jeden britischen
Arbeitsmarktbezirk eine "Job Entry Performance", eine
Jobvermittlungsstatistik erstellt: Für jede Person,
welche vom Jobcentre Plus in eine Arbeit vermittelt
wird, werden Punkte zugeordnet, die je nach
Beschäftigungsstand oder Unterstützungs-Status des
Kunden differenziert werden. Je höher die
Vermittlungspriorität der Kundengruppen ist, desto mehr
Punkte können von den Arbeitsmarktbezirken für ihren
Vermittlungserfolg verdient werden. Insgesamt gibt es
fünf Kategorien für die Einordnung der
Vermittlungsprioritäten. Weiterhin gibt es Kriterien und
entsprechende Punktzahlen für die
Arbeitgeber-Vermittlungseffizienz: Hier werden die
Vermittlungserfolge (wurde eine offene Stelle überhaupt
besetzt?), der Zeitverlauf (wurde eine Stellenbesetzung
zeitnah erreicht?) und die adäquate Besetzung (wurde ein
geeigneter Kandidat für die Anforderungen der offenen
Stelle vermittelt?) bewertet. Natürlich gibt es in den
britischen Arbeitsmarktbezirken auch Unterschiede, wie
ein Auszug der nachstehenden Tabelle über die
Leistungsvergleiche der britischen Bezirke verdeutlicht:
Rang |
Bezirk |
Vermittlungs-quote in %
(Plan - Ist) |
Summe der Vermittlungs-punkte
(Plan) |
Summe der Vermittlungs-punkte (Zielerreichung) |
1 |
Bridgend and Rondda Cynon TAF
|
53,9% |
14.497 |
22.316 |
2 |
North London |
53,2% |
26.550 |
40,670 |
3 |
North East London |
34,9% |
12.714 |
17.155 |
7 |
Glasgow |
22,6% |
43.457 |
53.270 |
48 |
Liverpool |
2,4% |
26.153 |
26.787 |
78 |
Dorset |
-17.2% |
10.286 |
8.512 |
85 |
North West Wales and Powys
|
-67,8% |
11.354 |
3.661 |
Quelle: Jobcentre Plus,
District Job Entry Performance
Während sich das IW Köln
noch mit Zahlen aus BA-Quellen aus dem Jahr 2003 auseinandersetzen musste, schaffen es die Briten, die obigen Zahlen für
die Monate Januar bis März 2005 zeitnah, aktuell,
vergleichbar und
transparent darzustellen.
Von Japan lernen

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Jesper Koll |
Jesper Koll, Chefvolkswirt von Merrill Lynch in Tokio
führt in seinem Artikel "von Japan lernen" ( FAZ vom 27.
August 2005) aus, daß die Basis für die wieder gewonnene
Wettbewerbsfähigkeit Japans Reformen am Arbeitsmarkt
seien. Er präzisiert: Der Schlüssel für den Übergang von
der Standortdebatte zur Aktion liegt in den stimmenden
Rahmenbedingungen. Angefangen wurde mit einer radikalen
administrativen Reform.
Mitte der neunziger Jahre ging man den ersten Schritt
mit Arbeitsplatzkürzungen für Politiker. Die Zahl der
Abgeordneten im Ober- und Unterhaus wurde um fast sechs
Prozent gekürzt. Dazu kommt, daß die Diäten und
Rentenbeträge für Politiker deutlich beschnitten und
ihre Kontrolle durch die Steueraufsicht verstärkt
wurden. Die Politik sollte Leitbild sein. In der
Bürokratie ging es ähnlich harsch zu. Heute hat Japan
nur noch 13 hohe Ministerien, neun weniger als 1997. Die
Gehälter der Beamten sind um mehr als acht Prozent
gesenkt, Stellen wurden gestrichen.
Der Ruf nach "weniger Staat" wurde gerade im
täglichen Leben Wirklichkeit. Heute dauert es keine fünf
Tage, bis ein Bauantrag bearbeitet ist, früher brauchte
es zwei Monate. Heute kann eine Firma für einen Yen und
binnen fünf Tagen gegründet werden früher brauchte man
zehn Millionen Yen und sechs Wochen. Heute muß man ein
Formblatt ausfüllen, um einen Arbeiter einzustellen,
früher waren es fünf für je drei Instanzen.
Reden und Handeln
In seiner Rede in London 2003 erinnerte Minister
Clement auch an die Notwendigkeit der Transparenz und
des Bürokratieabbaus:
"Staat und
Verwaltung müssen transparenter und effizienter werden.
Die Bürokratie - eine spezifisch deutsche, um
europäische Spezialitäten angereicherte Bürokratie -,
die unternehmerische Initiative oftmals im Keim
erstickt, wollen wir mit einem Masterplan
Bürokratieabbau eindämmen." Das war im Sommer 2003.
Weiterführende Links:
Großbritannien: JobCenter Plus
2004:
http://www.jobcentreplus.gov.uk/documents/CombinedQ42004.xls
2005:
http://www.jobcentreplus.gov.uk/documents/2004_5JobEntriesQ1V6.xls
FAZ.Net:
Berlin gibt fast 40.000 Euro für jeden vermittelten
Arbeitslosen aus
IW Köln Studie:
http://iwkoeln.de/data/pdf/pub/pm33_05iwd.pdf
Berliner Morgenpost:
BA-Chef übt harsche Selbstkritik
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